Eine Grippeschutzimpfung gegen Herzinfarkt und Coronavirus? Das
klingt zunächst einmal absurd. Tatsächlich aber gibt es gute Gründe, sich nicht
nur wegen einer drohenden Influenza-Infektion, sondern auch im Zusammenhang mit
Herzerkrankungen und dem neuartigen Coronavirus gegen Grippe impfen zu lassen.
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130 Todesfälle, mehr als 79.000 durch Laboruntersuchungen bestätigte
Influenza-Fälle, von denen fast 13.300 mit einem Krankenhaus-Aufenthalt
verbunden waren - so lautet die aktuelle Zwischenbilanz der Grippesaison
2019/2020 in Deutschland (Stand: Kalenderwoche 7/2020, 8.2. bis 14.2.2020).
Allein in der siebten Kalenderwoche erkrankten über 19.000 Menschen nachweislich
an Grippe, wobei die Dunkelziffer deutlich höher sein dürfte, weil viele
Influenza-Patienten keinen Arzt aufsuchen oder dieser keine Laborproben
einschickt. Die Zahlen belegen, dass eine Grippe-Impfung sinnvoll ist.
Weshalb Grippe-Infektionen das Infarktrisiko erhöhen
Darüber hinaus gibt es aber auch Experten, die eine Grippeschutzimpfung noch aus
ganz anderen Gründen empfehlen, die auf den ersten Blick gar nichts mit der
klassischen Influenza zu tun haben. So hielt Prof. Thomas Weinke, ärztlicher
Direktor des Ernst-von-Bergmann-Klinikums in Potsdam, kürzlich einen Vortrag in
Österreich, bei dem er Zahlen zur Prävention von Herzerkrankungen präsentierte:
Nach seinen Aussagen können Statine das Herzinfarktrisiko um 19 bis 30 Prozent
senken, ein Rauchstopp um 32 bis 43 Prozent und eine Grippeschutzimpfung um 15
bis 45 Prozent. Mit anderen Worten: Wer sich gegen Grippe impfen lässt, schützt
nicht nur die Lunge, sondern auch das Herz - und zwar ähnlich effektiv wie
jemand, der mit dem Rauchen aufhört.
Prof. Weinke erklärt auch, warum das so ist: "Das Infarktrisiko steigt
nachweislich, wenn etwa zu einer Atherosklerose, also zu verengten und
verhärteten Blutgefäßen, noch eine Influenza-Infektion hinzukommt. Denn diese
kann Entzündungsprozesse in Gang setzen, zu Herzrasen führen oder zu einem
Sauerstoffmangel in Geweben - lauter Faktoren, die das Herzinfarktrisiko
erhöhen." Für Prof. Weinke ist deshalb eine Grippeschutzimpfung auch "eine
Präventionsmaßnahme gegen kardiovaskuläre Ereignisse, zu denen auch ein
Herzinfarkt zählt."
Und es gibt noch weitere Krankheiten, die sich durch eine Influenza-Infektion
verschlimmern können. So präsentierte Prof. Weinke bei seinem Vortrag auch Daten
aus Tierversuchen, bei denen Mäuse mit Influenzaviren und/oder Pneumokokken
infiziert wurden. In der Influenzagruppe überlebten alle Versuchstiere, in der
Pneumokokkengruppe waren es immerhin 90 Prozent. In der Gruppe aber, die erst an
Influenza und anschließend an Pneumokokken erkrankte, starben alle
Versuchstiere. "Das sind nur Daten aus Tierversuchen", betont Weinke, "aber sie
zeigen eindrucksvoll, was passieren kann, wenn auf eine Virusinfektion eine
bakterielle Infektion folgt - Menschen erkranken in diesem Fall nicht selten an
einer lebensbedrohlichen Lungenentzündung."
Ginge es nach Professor Weinke, dessen Klinik übrigens in einem
Handelsblatt-Ranking einen Spitzenplatz unter den "besten Kliniken in
Deutschland" belegt, dann würden sich nicht nur bestimmte Risikogruppen gegen
Influenza impfen lassen: "Ich bin dafür, dass Jeder sich impfen lassen sollte -
vor allem Menschen, die viele Kontakte mit anderen haben, also zum Beispiel
Kita-Mitarbeiter, Lehrer oder Mitarbeiter in Einrichtungen mit
Publikumsverkehr." Bei seinen Vorträgen und in Gesprächen zitiert Weinke immer
wieder den Präsidenten des Robert-Koch-Instituts (RKI), Lothar Wieler: "Mit
keiner anderen Impfung lassen sich in Deutschland so viele Leben retten wie mit
der Grippe-Impfung."
Ähnliche Symptome bei Influenza- und Corona-Viren
Übrigens gibt es auch eine Reihe von Experten, die im Zusammenhang mit dem
neuartigen Coronavirus zu einer Grippeschutzimpfung raten. So twitterte zum
Beispiel Jeremy Farrar, Chef des britischen Wellcome Trust, einer Stiftung zur
Förderung medizinischer Forschung: "Eine Sache, die helfen würde, ist, sich
gegen Grippe impfen zu lassen." Hintergrund dieser Empfehlung ist, dass die
Symptome einer Coronavirus-Infektion denen einer klassischen Grippe-Infektion
sehr ähnlich sind: plötzliches Fieber, Abgeschlagenheit, trockener Husten,
Atemnot. Folglich besteht nach Aussagen von Tropenmedizinern das Risiko, dass
Patienten mit einer "gewöhnlichen" Influenza irrtümlich in eine isolierte
Krankenstation kommen, weil sie für Coronavirus-Patienten gehalten werden. In
Deutschland gab es bereits eine ganze Reihe von Coronavirus-Verdachtsfällen, die
sich am Ende als Influenzaviren entpuppten.
In China - ein Land mit rund 1,4 Milliarden Einwohnern - haben sich bislang rund
78.000 Menschen nachweislich mit dem neuartigen Coronavirus infiziert (Stand:
26.02.2020, 09:15 GMT). Thomas Weinke plädiert zwar für eine
Grippeschutzimpfung, warnt aber zugleich vor Panikmache in Sachen Coronavirus:
"Man muss das Ganze intensiv beobachten, aber man sollte auch nicht zu einer
Verunsicherung beitragen. Wir erhalten sehr viele besorgte Anfragen, diese halte
ich zum Teil für übertrieben", sagte der Experte in einem Interview mit den
Potsdamer Nachrichten Ende Januar. "Es ist wichtig, diese Erkrankung in Relation
zu anderen zu setzen. Jedes Jahr sterben in Deutschland mehr als 10.000 Menschen
an Influenzaviren. Die Gefahr ist wesentlich größer, hier an der Grippe oder
auch an einer infektiösen Durchfallerkrankung zu erkranken, als am Coronavirus."
Inzwischen (Stand: 26.02.2020, 09:15 GMT) haben sich in Deutschland 18 Menschen
mit dem neuartigen Coronavirus infiziert; Todesfälle gab es keine. Eine
tagesaktuelle Übersicht zu der Zahl der Fälle weltweit bietet u.a. die Johns
Hopkins University (bit.ly/2PpXuDU).
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