Viele deutsche Gesundheitsämter haben nicht genügend Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, um die Kontaktpersonen von Corona-Infizierten nachzuverfolgen. Das ergab eine Umfrage unter allen Gesundheitsämtern in Deutschland durch NDR und WDR in dieser Woche.
Von den mehr als 380 Gesundheitsämtern haben 178 schriftlich geantwortet und die Zahl der Personen genannt, die vor Ort für die Kontaktverfolgung zur Verfügung stehen. Demnach stehen in 119 Stadt- und Landkreisen (67 Prozent) aktuell nicht so viel Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zur Verfügung, wie es der Beschluss von Bund und Ländern vom 25. März vorsieht.
Der Bund und die Länder hatten sich darauf verständigt, dass jeder Landkreis pro 20.000 Einwohner ein aus fünf Mitarbeitern bestehendes Team bilden muss, um Kontaktpersonen der Kategorie 1 nachzuverfolgen. Zu dieser Kategorie gehören Personen, die mindestens 15 Minuten lang direkten Gesichtskontakt zu einem Corona-Infizierten hatten. Diese Menschen sollen von Mitarbeitern des örtlichen Gesundheitsamtes kontaktiert und in häusliche Quarantäne geschickt werden.
Ebenfalls gefragt wurden die Gesundheitsämter, ob sie alle Kontaktpersonen der Kategorie 1 auf das Corona-Virus testen. Dies ist nur in 21 Landkreisen (12 Prozent) der Fall. Elf dieser Landkreise, in denen alle engen Kontaktpersonen von Infizierten getestet werden, liegen in Baden-Württemberg. Dort hat die Landesregierung die Finanzierung dieser Testungen übernommen, da die Krankenkassen den Test nur bei Personen bezahlen, die auch Krankheitssymptome zeigen.
Insgesamt hatten nur 25 Gesundheitsämter (14 Prozent) geantwortet, dass sie derzeit überlastet seien und deshalb ihren Aufgaben nicht vollständig nachkommen können. Am häufigsten gaben dabei Gesundheitsämter in Thüringen an, überlastet zu sein, obwohl Thüringen zu den Bundesländern mit der geringsten Zahl von Corona-Infizierten zählt.
Von den Gesundheitsämtern in Bayern hat kein einziges die Fragen beantwortet. Dort hatte die Landesregierung schon bei einer früheren Umfrage von NDR und WDR die Gesundheitsämter aufgefordert, nicht auf Presseanfragen zu antworten. "Da diese Umfragen nicht mit uns abgestimmt sind, bitten wir Sie, von einer Beantwortung Abstand zu nehmen", heißt es in einem Schreiben aus dem bayerischen Gesundheitsministerium an die Gesundheitsämter, das NDR und WDR vorliegt. Auch das Ministerium selbst hat auf die aktuelle Anfrage über die Ausstattung der Gesundheitsämter nicht geantwortet.
Für Gesundheitsminister Jens Spahn kommen die Ergebnisse der Umfrage überraschend, auch wenn ihm das Problem der Ausstattung der Ämter bewusst sei. Das Ergebnis sei Resultat dessen, dass die Ämter über Jahre hinweg vernachlässig wurden, wie sein Sprecher auf Anfrage mitteilte. Das Ministerium mache sich jetzt aber auch dafür stark, dass alle Kontaktpersonen der Kategorie 1 getestet werden sollen. "Das ist unsere erklärte Strategie", erklärt der Ministeriumssprecher. Auch Lars Schaade, Vizepräsident des Robert-Koch-Instituts, antwortete auf die Anfrage, ob alle engen Kontaktpersonen von Corona-Infizierten getestet werden sollen: "Ja, das ist sinnvoll." Ausreichende Kapazitäten dafür seien vorhanden. So wurden nach Angaben des RKI bundesweit zuletzt 317.000 Corona-Tests pro Woche in Deutschland durchgeführt, die Kapazität liege inzwischen aber bei mehr als einer Million Tests pro Woche.
Über die Ergebnisse der Umfrage unter den Gesundheitsämtern berichtet der NDR am 14. Mai bei NDR Info im Hörfunk und im Fernsehen, außerdem in der tagesschau und auf tagesschau.de sowie auf NDR.de und in der NDR Info App.
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