Seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie ist weltweit der Alkoholkonsum nach oben geschnellt. Dafür gibt es gleich eine ganze Reihe von Erklärungen. „Der Grund liegt in der körpereigenen Hirnchemie“, erklärt Buchautorin Gaby Guzek. „Klar ist: Das wochenlange Anstarren der eigenen vier Wände ist langweilig. Die Tagesstruktur droht, sich aufzulösen. Biochemisch gesprochen: Das Dopaminsystem wird faul“ erläutert sie auf ihrem Blog.
Dopamin ist ein Nervenbotenstoff, der für Antrieb, Belohnung und daraus stammende Glücksgefühle verantwortlich ist. Alkohol verpasst dem Dopaminsystem einen Kickstart. Leere, Langeweile und Antriebslosigkeit verschwinden.
Es kommen bei sehr vielen auch noch Ängste dazu. Zukunftsängste. Corona hat viele Menschen dicke wirtschaftliche Probleme beschert. Auch die Frage „Wie soll das alles nur weitergehen“ erstickt Alkohol im Keim. Auch hierfür gibt es biochemisch eine Erklärung: Alkohol kurbelt das Serotoninsystem an, so lange er wirkt. Serotonin ist ein Nervenbotenstoff, der für Glück und Zufriedenheit zuständig ist. Das Antidepressivum aus der Flasche sozusagen.
Als wäre das alles nicht genug, kommt noch ein dritter Faktor dazu: Stress. Sozialstress. Viele Familien leben in Wohnungen, die im Alltag natürlich räumlich völlig ausreichen: Die Erwachsenen verlassen die vier Wände in Richtung Arbeit, Einkauf – die Kinder gehen zur Schule. In Coronazeiten findet all das daheim statt. Es muss sogar noch Platz für den Home-Office-Arbeitsplatz gefunden werden, gleichzeitig drücken die Kinder daheim die Schulbank. Das will beaufsichtigt sein – während die eigenen Verpflichtungen ja weiter laufen. Da entsteht schon binnen kurzer Zeit ordentlich Dampf im Kessel.
Passender Weise bietet Alkohol auch hier scheinbar Abhilfe: Alkohol entspannt. Da er die beiden mächtigsten Entspannungsbotenstoffe des Körpers manipuliert: GABA und Glycin. Ein paar Gläschen und die Anspannung lässt nach. Lass die Kinder über Tisch und Bänke toben – ist alles nicht mehr so schlimm.
Kein Wunder, dass Corona ein Trink-Turbo ist. Sicherlich nicht für jeden. Wer aber bereits vor der Pandemie über das normale Maß hinaus getrunken hat, der hat wahrscheinlich im Lockdown umso beherzter zugegriffen. Denn: Auch die Sozialkontrolle fiel ja aus. Selbst im Homeoffice konnte ja schon am Nachmittag „ein Schlückchen in Ehren“ durchaus sein – fiel ja niemandem auf und die Fahne riecht auch keiner.