"Wir sind in einer absoluten Ausnahmesituation, die wir in der Geschichte der Intensivmedizin so noch nie erlebt haben", sagt Professor Dr. Gernot Marx, Sprecher des "Arbeitskreises Intensivmedizin" der "Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin" (DGAI). Die Corona-Pandemie führt ihn und seine Kolleginnen und Kollegen in diesen Tagen an die Belastungsgrenze.
Allein in seiner Klinik, der Klinik für Operative Intensivmedizin an der Uniklinik Aachen, müssen Marx und sein Team zurzeit pro Tag bis zu vier neue Covid-19-Patienten aufnehmen und versorgen. Pro Krankenhaus sind im Schnitt deutschlandweit jetzt nur noch drei Intensivbetten überhaupt frei. Ewig kann das nicht mehr so weitergehen. An den Betten in der Uniklinik Aachen laufen inzwischen bei neun Patienten Systeme zum Ersatz der Lungenfunktion, sogenannte ECMO-Pumpen. Die Extracorporale Membranoxygenierung (ECMO) ist nach der Sauerstoff-Therapie und der Beatmung medizinisch die letzte Möglichkeit, einen schwerkranken Covid-19-Patienten zu retten: "Noch viel mehr Geräte werden wir allein aus personellen Gründen nicht mehr betreiben können." Die deutsche Intensivmedizin, so Marx, sei "nicht überfordert", mittlerweile aber sicherlich "bis an die Grenzen des Machbaren gefordert"!
Marx: Einer der führenden deutschen Intensivmediziner
Professor Marx weiß wovon er spricht: Der 54-Jährige ist seit mehr als 20 Jahren in der Intensivmedizin tätig und gehört zu den deutschen Top-Intensivmedizinern, die innerhalb und außerhalb der eigenen Reihen aufmerksames Gehör finden. Eher leise im Hintergrund sorgt er auch in dieser Pandemie dafür, dass die Kapazitäten ausgebaut und möglichst viele Patienten gerettet werden können. Er engagiert sich nicht nur als Sprecher des Arbeitskreises Intensivmedizin der DGAI, sondern wird ab dem Jahreswechsel als Präsident auch die Führung der "Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin" (DIVI) übernehmen. Wenn Marx von einer Strapazierung der Intensivmedizin zurzeit "bis an die Grenzen" spricht, sind diese Worte von allen sehr ernst zu nehmen!
Kaum noch Reserven - Reihen des Personals lichten sich
Auch diesmal lautet Marx Einschätzung: "Im Sinne der Rettung von Leben und der Intensivmedizin hätten die zuletzt vereinbarten Lockdown-Maßnahmen noch schärfer ausfallen können." Die erste Corona-Welle im Frühjahr, zwischendurch die Aufarbeitung aller zurückgestellten Operationen und jetzt der zweite Ansturm von Covid-19-Patienten: Viele Mitarbeiter auf den Intensivstationen hätten psychisch wie physisch kaum noch Reserven. Durch Krankheiten und Ausfälle hätten sich die Reihen erkennbar gelichtet, unter den Pflegekräften wie auch bei den Ärztinnen und Ärzten. Bleibt Intensivmediziner Marx nur die Wiederholung des eindringlichen Appells, sich an die allgemeinen Schutzmaßnahmen zu halten und zu verstehen, dass es sich dabei um Mindestregeln handelt: "Die Corona-Krise ist längst noch nicht überstanden! Es geht noch weiter: Im Moment haben wir auf den Intensivstationen gemischt junge und alte Patienten liegen. In den kommenden Wochen werden wir aber wieder vor allem ältere Menschen aufnehmen müssen!"
So viele Krankheitsfälle wie möglich vermeiden
Jede Gruppe, die sich im Augenblick nicht trifft, trägt vielleicht dazu bei, dass ein paar Menschen mehr überleben können. Aber soweit darf es nach den Erfahrungen von Professor Marx gar nicht kommen: "Wir müssen insgesamt dafür sorgen, dass wir so wenige Covid-19-Kranke haben, wie irgendwie möglich. Denn diese Krankheit mit ihren ganzen Belastungen und Spätfolgen möchte niemand haben!"
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