Heidelberg, 06.04.2021 - Wenn Atmen nicht mehr selbstverständlich ist
Es gibt verschiedene Gründe, weshalb jemand beatmet werden muss. Das kann plötzlich notwendig werden. Zum Beispiel, wenn Menschen nach einem Unfall, bei einer COVID-19 Erkrankung, einer anderen schweren Lungenerkrankung oder nach einer OP nicht mehr in der Lage sind, selbst zu atmen.
Risiko für eine Langzeitbeatmung
Dauert die Beatmung länger als 48 Stunden, beginnt das eigene Muskelgewebe in der Eigenanstrengung der Beatmung nachzulassen. Die PatientInnen werden mehr und mehr von der Beatmung durch den Respirator (die Beatmungsmaschine) abhängig.
Die schrittweise Entwöhnung dieser PatientInnen von der invasiven Beatmung wird als Weaning bezeichnet Gelingt dies nicht, erfolgt eine Entlassung in die Langzeitbeatbeatmung, für die Betroffenen bedeutet das in der Regel eine starke Einschränkung in ihrer Autonomie und Lebensqualität.
Deshalb wurde eine Studie mit Schwerpunkt in Baden-Württemberg ins Leben gerufen, die vom Uniklinikum Heidelberg geleitet und vom Innovationsfonds des Bundes gefördert wird. Die Studie mit den Namen PRiVENT beginnt am 1. Juli 2021 und soll bis 30. Juni 2023 laufen.
PRiVENT soll die Zahl der BeatmungspatientInnen spürbar senken
Nicht erst seit der Corona Pandemie steigt die Zahl der BeatmungspatientInnen rasant. Covid-19 hat dieses bereits vorhandene Problem sowohl verschärft als auch sichtbar gemacht. Das ist nicht nur für unser Gesundheitssystem und die dort arbeitenden Ärzte und Pflegekräfte eine immer größer werdende Herausforderung, auch für die betroffenen Patienten sind damit häufig ungeahnte Langzeitfolgen verbunden.
Genau hier setzt PRiVENT an. Warum diese außergewöhnliche Schreibweise? PRiVENT ist eine Abkürzung und bedeutet PRävention invasiver VENTilation (Vorbeugung von Lungenbelüftung, durch Früherkennung). Der Name lässt es bereits vermuten, eine wichtige Säule dieses Konzeptes besteht in der Prävention, also dem frühzeitigen Erkennen möglicher Risiken für eine Langzeitbeatmung ("Screening") und frühzeitiger Intervention, um eine Langzeitbeatmung von vorne rein vermeiden zu können.
Ziel des Projektes ist es einfach ausgedrückt, Behandlungsmethoden und Vorgehensweisen zu entwickeln, die eine Langzeitbeatmung möglichst verhindern sollen. An der Studie sind neben der Thoraxklinik Heidelberg drei weitere Weaning-Zentren in Baden-Württemberg, sowie weitere 40 Kooperationskliniken beteiligt.
Insgesamt sollen 8.000 Personen das Screening durchlaufen, von denen dann geschätzt ca. 1.500 als HochrisikopatientInnen prognostiziert und somit an der eigentlichen Intervention teilnehmen. Dadurch werden solide und belastbare Ergebnisse erwartet, die von entsprechenden Forschungseinrichtungen ausgewertet werden.
PRiVENT ist eine Chance für HochrisikopatientInnen sowie für Kliniken
PRiVENT ist sowohl für Kliniken als auch für PatientInnen eine große Chance. Durch ein speziell entwickeltes Prognosemodell (Screening) wird zunächst das Risiko für eine Langzeitbeatmung abgeschätzt.
PatientInnen, die ein erhöhtes Risiko aufweisen, zum Beispiel durch Vorerkrankungen, erhöhtes Alter oder Ähnliches, erhalten dann eine spezialisierte Entwöhnungsbehandlung mit dem Ziel, dass diese PatientInnen wieder selbst atmen können. Hierbei arbeiten Kooperationskliniken und SpezialistInnen der Weaning-Zentren eng zusammen, um den optimalen Behandlungsplan für jeden einzelnen Patientenfall gemeinsam zu erstellen.
Dieser Punkt ist von großer Bedeutung. Statistiken zeigen, dass etwa 60 Prozent der beatmeten PatientInnen, die als "nicht entwöhnbar" in ein Weaning-Zentrum verlegt wurden dort noch erfolgreich von der Beatmung befreit werden konnten. Damit kann den betroffenen PatientInnen sowohl Lebenszeit als auch Lebensqualität geschenkt werden und
diese Menschen atmen buchstäblich auf, hier trifft die Webadresse des Projekts voll ins Schwarze: https://wieder-selbst-atmen.de/
Fazit: PRiVENT wird dringend benötigt.