Prof. Dr. Francisco Pedrosa Gil ist Ärztlicher Direktor und Chefarzt im Fachkrankenhaus Bethanien Hochweitzschen. Er sieht in der Pandemie eine nicht zu unterschätzende Gefahr für die psychische Gesundheit und verweist auf die multidimensionalen und potenziell toxischen Stressfaktoren, zu denen neben Ängsten und existenziellen Problemen beispielsweise auch die Isolation während einer Quarantäne und die Langeweile im Corona-Alltag beitragen können. Dr. Ulrike Ernst, Chefärztin der Klinik für Suchtmedizin im Fachkrankenhaus Bethanien Hochweitzschen, hat im vergangenen Jahr eine deutliche Zunahme der Sucht-anfälligkeit registriert. Carsten Bölke, der als Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie im Medizinischen Versorgungszentrum Döbeln tätig ist, sieht aus ambulanter Perspektive in der sozialen Isolation einen hohen Risikofaktor für psychische Erkrankungen, besonders bei jungen Erwachsenen. Prof. Dr. Pedrosa Gil hat auf der Website des Krankenhauses praktische Tipps zusammengestellt, mit denen Menschen ihre psychische Gesundheit auch während der Krise stärken können.
Die Pandemie führt zu psychischem Stress
Das Fachkrankenhaus für Allgemeinpsychiatrie und Psychotherapie Bethanien Hochweitzschen leistet im Landkreis Mittelsachen die stationäre und teilstationäre psychiatrische Vollversorgung für ein Einzugsgebiet mit ca. 230.000 Einwohnern. Das Team hat die psychischen Auswirkungen von Corona in den vergangenen Monaten hautnah erlebt und intensiv mit Therapieangeboten begleitet. „Rund ein Drittel der Menschen leidet momentan unter psychischem Stress“, erklärt Prof. Dr. Pedrosa Gil. „Ängste haben einen enormen Input auf unsere seelische Verfassung. Bestehen sie über einen längeren Zeitraum, so können sie chronische Stressreaktionen auslösen, die sich wiederum negativ auf Körper und Psyche auswirken.“ So zeigen aktuelle Untersuchungen, dass die Zahl von Erkrankungen wie Depressionen, Angst- und posttraumatischen Belastungsstörungen derzeit vergleichsweise hoch ist. Prof. Dr. Pedrosa Gil rechnet in den kommenden Wochen und Monaten mit einer Zunahme solcher Fälle im klinischen Alltag. Um sie frühzeitig zu erkennen und zu behandeln, plädiert der Chefarzt für einen engen Austausch innerhalb des medizinischen Systems, beispielsweise zwischen Hausarztpraxen, Beratungsstellen und Kliniken.
Hohes Risiko durch Isolation und Gewalterfahrung
Die notwendigen Einschränkungen während der Pandemie können zu einer sozialen Isolation führen. Aus der Resilienzforschung ist bekannt, dass fehlende körperliche Nähe und Gefühle der Einsamkeit als Hochrisikofaktoren für die Entwicklung von psychischen Erkrankungen anzusehen sind. Untersuchungen belegen zudem eine Zunahme von körperlicher und häuslicher Gewalt in den vergangenen zwölf Monaten – ebenfalls eine Gefahrenquelle für spätere psychische Erkrankungen. „Kinder und junge Erwachsene leiden ohnehin am meisten unter den geltenden Einschränkungen im sozialen Zusammenleben. Sie erleben tiefe Frustration, sehen Ausbildungen und Perspektiven in Gefahr“, sagt Carsten Bölke, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie im Medizinischen Versorgungszentrum Döbeln. „Junge Menschen brauchen daher unsere besondere Unterstützung.“
Die Pandemie macht suchtanfällig
Dr. Ulrike Ernst hat direkte Auswirkungen der Corona-Krise auf das Suchtverhalten festgestellt. So kommen nun mehr Menschen mit Alkoholabhängigkeit in eine stationäre Behandlung, weil ambulante Einrichtungen derzeit geschlossen sind. Dazu kommen Patienten, die ihren Alkoholkonsum im Laufe der Pandemie unkontrolliert gesteigert haben und nun an einer Abhängigkeitserkrankung leiden. „Die nun schon seit mehr als einem Jahr bestehende Krise geht häufig mit existentiell bedrohlichen Ängsten gesundheitlicher und wirtschaftlicher Natur einher“, erklärt die Chefärztin der Klinik für Suchtmedizin im Fachkrankenhaus Bethanien Hochweitzschen. „Unser Gedächtnis ist so programmiert, dass angenehme Erfahrungen lange gespeichert werden und etwa ein leichter Alkoholrausch mit Entspannung assoziiert wird. Die Gefahr eines häufigeren Suchtmittelkonsums zur Bewältigung der unangenehmen Gefühle ist daher derzeit sehr hoch.“ Um nicht in den nächsten Jahren deutlich mehr Patienten mit Suchterkrankungen behandeln zu müssen, sieht es Dr. Ulrike Ernst als vorrangige Aufgabe, frühzeitig gegenzusteuern. Menschen, die sich als gefährdet empfinden, empfiehlt sie, den eigenen Alkoholkonsum kritisch zu hinterfragen und als ersten Schritt konsequent mehrere alkoholfreie Tage pro Woche einzuhalten.
Krafttraining für die Psyche
Generell raten die Experten des Fachkrankenhauses Bethanien Hochweitzschen und des MZV Döbeln dazu, insgesamt achtsam mit sich umzugehen und auch während der Krise auf einen strukturierten Tagesablauf zu achten. Die seelische Gesundheit durch wohltuende Aktivitäten zu stärken ist auch im Corona-Alltag möglich, ob beim Spaziergang, Yoga oder virtuellen Treffen mit anderen. Prof. Dr. Pedrosa Gil hat auf der Website des Fachkrankenhauses Bethanien Hochweitzschen praktische Tipps zusammengestellt, mit denen Menschen ihre psychische Gesundheit auch während der Krise stärken können. Wer das Gefühl hat, sich nicht selbst helfen zu können, sollte sich jedoch umgehend kompetente Unterstützung holen.
Weitere Informationen zum Thema Corona und Psyche sowie die ausführlichen Interviews mit Prof. Dr. Pedrosa-Gil, Dr. Ulrike Ernst und Carsten Bölke sind unter folgendem Link abrufbar: https://www.bethanien-hochweitzschen.de/patienten-besucher/patientenversorgung-und-corona/corona-psyche
Das Fachkrankenhaus Bethanien Hochweitzschen verfügt gegenwärtig über 6 Stationen zu je 18 bis 22 Betten (insgesamt 121 Planbetten), und stellt die stationäre psychiatrische Vollversorgung für etwa 230.000 Einwohner im mittleren und südlichen Mittelsachsen sicher. Es gliedert sich in einen stationären Betriebsteil mit Standort Hochweitzschen, einen teilstationären Betriebsteil mit zwei Tageskliniken in Döbeln und Freiberg und drei Psychiatrische Institutsambulanzen mit den Standorten Döbeln, Hochweitzschen und Freiberg.