Die Berliner Staatsanwaltschaft nimmt Abrechnungen für medizinische Leistungen von Deutschlands größtem Krankenhaus Charité unter die Lupe. "Wir haben die Charité aufgefordert, das Abrechnungssystem zu erläutern und prüfen derzeit, ob wir ein Ermittlungsverfahren einleiten", sagte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft auf stern-Anfrage.
Wie der stern in seiner aktuellen Ausgabe und bei "stern plus" berichtet, stehen vor allem Laborabrechnungen bei ambulanten Privatpatienten auf dem Prüfstand. Teure Speziallaborleistungen sind laut Gebührenordnung nicht delegierbar: Sie dürfen nur von Ärzten in Rechnung gestellt werden, die diese Leistungen persönlich erbracht oder beaufsichtigt haben. Verstöße dagegen wurden in der Vergangenheit regelmäßig als Betrug geahndet.
Die Charité hatte 2011 ihren Laborbetrieb ausgelagert und mit dem des städtischen Klinikums Vivantes zusammengelegt. Chefärzten und Hochschulprofessoren der Charité, die über Nebentätigkeitsvereinbarungen privat abrechnen dürfen, müsste das Inkasso für teure Laborspezialdiagnostik unter normalen Umständen deshalb eigentlich verwehrt sein. Dennoch sind Charité-Ärzte weiterhin auf verschiedene Weise an Laborerlösen beteiligt.
Der stern konnte eine Vielzahl von internen Unterlagen einsehen, etwa die vertraulichen Vertragsregelungen mit der ausgegliederten Labor GmbH. Es zeigt sich, dass die Klinik Wege konstruierte, die es einem illustren Ärztekreis ermöglichen, weiter am Labor zu partizipieren. So wird etwa die teure Spezialdiagnostik ausgerechnet und exklusiv für Fälle von Privatversicherten in einen technischen und einen ärztlichen Befund aufgeteilt - und so ein Teil der Diagnostik vom Labor auf die Chefarztriege zurück übertragen.
Der auf Medizinrecht spezialisierte Jurist Tilman Clausen aus Hannover sieht die Aufteilung der einheitlichen Laborleistung in einen technischen und ärztlichen Teil kritisch. "Das ist mit den allgemeinen Bestimmungen der Gebührenordnung für Ärzte eigentlich nicht vereinbar", sagt er im stern: "Laborleistungen sind danach nicht teilbar. Deswegen können sie meiner Meinung nach auch nicht in mehrere Rechnungen gesplittet werden."
Kritisch äußert sich auch der Landtagsabgeordneten Marcel Luthe (früher FDP, heute Freie Wähler), der eine Reihe von parlamentarischen Anfragen zum Zusammenspiel von Charité und Labor stellte. Er meint, einige der internen Absprachen und Regelungen dienten "keinem anderen Zweck, als das Personal weiter an den Erträgen zu beteiligen".
Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD), der in Personalunion die Senatskanzlei für Wissenschaft und Forschung leitet und in dessen Hoheitsbereich das Uni-Klinikum fällt, hat sich nun ebenfalls eingeschaltet. "Die Senatskanzlei klärt momentan im Rahmen der Fach- und Rechtsaufsicht den Sachverhalt weiter auf", teilt die Landesregierung auf stern-Anfrage mit.
Für Klinik und Land - und damit letztlich für den Steuerzahler - steht einiges auf dem Spiel: Denn bei falschen Abrechnungen können Kassen und Patienten die Arzthonorare zurückverlangen. Die Charité dementiert ein Fehlverhalten bei Abrechnungen.
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