„Beiß die Zähne zusammen!“ Bereits viele Menschen haben diese Aufforderung in Stresssituationen gehört. In der Redewendung steckt mehr Wahrheit als zunächst vermutet. Denn häufig zermahlen Erwachsene ihre Probleme im Schlaf: Sie reiben die Zähne aufeinander oder pressen Ober- und Unterkiefer unbemerkt mit einer enormen Kraft zusammen. Nicht ohne Folgen: Morgendliche Kiefer-, Kopf- und Nackenschmerzen treten bei Betroffenen regelmäßig auf und auch nachhaltige Schäden am gesamten Kauapparat lassen sich bei starkem Zähneknirschen, fachsprachlich Bruxismus, befürchten. „Unter regelmäßigem Zähneknirschen leiden Zähne und Kiefer, aber auch die gesamte Gesichtsmuskulatur nimmt bei starkem Knirschen Schaden“, warnt Dr. Achim G. Nesselrath, Ratinger Fachzahnarzt für Kieferorthopädie und Bundesvorstand des Berufverbandes der Deutschen Kieferorthopäden (BDK).
Hohe Belastung für die Zahnreihen
Schwere Schäden treten vor allem bei besonders starken Knirschern auf, da sie ihren Kiefer einem enormen Druck aussetzen. Bei Frauen beträgt dieser bis zu 300 kg, bei Männern wirken sogar Kräfte von bis zu 400 kg auf die Zahnreihen. Übt sich dieser Druck Nacht um Nacht auf das Kausystem aus, schleifen sich die Zahnoberflächen immer mehr ab, ursprünglich gesunde Zähne erkranken und im schlimmsten Fall droht eine Entzündung, die sogar Zahnverlust nach sich ziehen kann. „Regelmäßige Kopf- oder Ohrenschmerzen nach dem Aufwachen, Sehstörungen, Verspannungen im Kopf- und Nackenbereich oder eine Art Muskelkater im Gesicht lassen auf nächtliches Zähneknirschen schließen“, so Dr. Nesselrath. In diesem Fall empfiehlt sich eine Behandlung beim Spezialisten, um eine kieferorthopädische Ursache des nächtlichen Knirschens auszuschließen. Zunächst untersucht der Fachzahnarzt die Funktion des Kiefers und überprüft, ob die Zähne in der richtigen Position im Kiefer sitzen. So klärt er Störungen ab, um daraufhin eine individuelle Therapie einzuleiten.
Entspannung für den Kiefer
Erste Hilfe bei Bruxismus bietet beispielsweise ein Kunststoffüberzug, eine sogenannte Okklusionsschiene, die einer Schädigung der Zahnsubstanz vorbeugt. „Betroffene tragen diese individuell angepasste Schiene nachts und entlasten damit ihren Kiefer sowie das Kiefergelenk, da sie die Zahnreihen so auf Abstand halten“, erläutert Dr. Nesselrath. Jedoch handelt es sich bei der Verwendung einer solchen Schiene um eine reine Symptomtherapie. Direkte Hilfe, um Beschwerden zu lindern, bieten bei verspannten Kiefermuskeln am Morgen wiederum Selbstmassagen oder Wärmepackungen, beispielsweise erwärmte Dinkel- oder Kirschkernkissen. Damit sich Betroffene langfristig vom nächtlichen Knirschen befreien, sollten sie eine Behebung der Ursachen anstreben. Sitzen die täglichen verdrängten Sorgen zu tief, kann eine Psychotherapie bei der Behandlung von Bruxismus-Patienten den richtigen Weg darstellen.