Mehr als 60 Experten für Arzneimittelentwicklung aus verschiedenen Ländern nehmen beim derzeit laufenden Workshop zu Arzneimittelinteraktionen (DDI) im Konferenzzentrum Schloß Marbach teil und diskutieren die jüngsten wissenschaftlichen Entwicklungen in ihrem Interessengebiet als auch Neuerungen und die gültigen Anforderungen bei Arzneimittelzulassungen.
In den ersten beiden Tagungsabschnitten des Workshops werden heute neue Erkenntnisse bei der Untersuchung von Arzneimittelinteraktionen aus klinischer und regulatorischer Sicht vorgetragen und besprochen.
Sicherlich wird der Vortrag von Dr. Eva Gil Berglund ein Höhepunkt der Veranstaltung sein.
Dr. Berglund kommt von der schwedischen Zulassungsbehörde MPA. Sie wird den aktuellen Entwurf der Europäischen Richtlinien zur Untersuchung von Arzneimittelinteraktionen vorstellen und dabei die Veränderungen seit den 90iger Jahren detailliert besprechen. Die Frage, wie in vitro und in vivo Studien zukünftig von Pharmaunternehmen angelegt werden sollen, um ihre Produkte in Europa zugelassen zu bekommen, wird im Mittelpunkt des Interesses stehen.
Professor Uwe Fuhr von der Universität Köln spricht über Cocktail-Studien, die immer wichtiger werden. Sie können dazu beitragen, die Anzahl der notwendigen Studien für die Bewertung des Interaktionspotenzials eines Arzneimittelkandidaten zu reduzieren. Trotz der bekannten und im Workshop angesprochenen Einschränkungen akzeptieren die Zulassungsbehörden inzwischen diese Studien.
Professor Hartmut Derendorf von der Universität Florida ist prädestiniert, aus US-Sicht die Gemeinsamkeiten und die Unterschiede bei den Anforderungen der US-amerikanischen und Europäischen Zulassungsbehörden bezüglich der Interaktionsstudien herauszuarbeiten. Er wird auf die zunehmende Bedeutung der Interaktionsstudien eingehen. Die hohe Komplexität aufgrund eines ständig wachsenden Wissenssstandes auf diesem Gebiet macht Arzneimittelentwicklungen immer anspruchsvoller. Es ist unbestritten, dass nicht alle denkbaren Interaktionen in klinischen Studien untersucht werden können. Das bedeutet aber, dass zukünftig das Verständnis der Interaktionsmechanismen zusammen mit einem pharmakometrischen Modelling und Simulationen mehr Bedeutung erlangen werden.
Professor Amin Rostami-Hodjegan von der Universität Manchester (UK) wird den heutigen Wissensstand bei metabolischen Arzneimittelinteraktionen (mDDIs) aufzeigen. Dabei wird er die wichtigsten in vitro Systeme beschreiben, insbesondere solche, die zur Bewertung der hepatischen Clearance im Menschen herangezogen werden. Die Nutzung der in vitro Systeme nimmt derzeit deutlich zu, abhängig von den begrenzten Möglichkeiten mDDIs im Menschen mittels tierexperimenteller Daten vorherzusagen. Professor Rostami-Hodjegan wird die Charakteristika der verschiedenen Systeme herausstellen.
Am zweiten Tag des DDI Workshops werden dann in einem weiteren Tagungsabschnitt neue wissenschaftliche Erkenntnisse bei der Untersuchung von Arzneimittelinteraktionen, insbesondere metabolische und Transporter-bedingte Interaktionen (tDDIs), betrachtet. Darüber hinaus wird am zweiten Tag der Veranstaltung über die notwendigen Werkzeuge zur Erstellung von Studiendesigns und der Evaluation von Interaktionsstudien gesprochen. Das richtige Timing der Interaktionsstudien ist ein weiterer Diskussionspunkt.
Professor Andrew Parkinson aus Lexana (USA) spricht über den Einsatz von humanen Hepatozyten ergänzend zu Untersuchungen mit menschlichen Lebermikrosomen (HLM) bzw. rekombinanten CYP- Enzymen bei in vitro Untersuchungen von Arzneimittelinteraktionen. Er wird besonders darauf eingehen, welche Arzneimittelkandidaten von zusätzlichen Studien mit Hepatozyten profitieren, wenn die Hemmung von CYP-Enzymen bewertet werden soll.
Dr. Oliver von Richter (Merck Serono in Deutschland) stellt das schnell wachsende Gebiet der Transporter-bedingten Interaktionen (tDDIs) vor. Er wird aufzeigen, wie Untersuchungen von tDDIs in die frühe klinische Entwicklung von Arzneimitteln integriert und wie die klinische Relevanz der tDDIs bewertet werden. Zuverlässige in vivo Studien zu tDDIs am Menschen sind derzeit nur begrenzt möglich. Um so wichtiger ist die Anwendung von in vitro Methoden, bei denen Transporter-Substrate und Hemmstoffe identifiziert werden. Die jüngsten Fortschritte bei in vitro und in vivo Extrapolationen (IVIVE) des aktiven Transports bei der Leberaufnahme werden vom Referenten vorgestellt. Die Leitlinien, die das Internationale Transporter Konsortium zur Verfügung stellt, werden besprochen.
Professor Hartmut Derendorf aus Florida wird allgemeingültige Konzepte zur Bewertung von Interaktionen, die die Plasmaproteinbindung verschieben, vorstellen. Beispiele aus der Arzneimittelentwicklung zeigen, dass man sich nicht auf Plamaproteinbindungswerte aus der Literatur verlassen darf, um das Ausmaß der Proteinbindung bei verschiedenen in vitro und in vivo Bedingungen abzuschätzen. Es ist ratsam, den Grad der Proteinbindung unter den entsprechenden Bedingungen einer klinischen Prüfung direkt zu messen.
Professor Isabelle Ragueneau-Majlessi von der Universität Washington wird über Aspekte der Pharmakogenetik bei Arzneimittelinteraktionen sprechen, so zum Beispiel über die Rolle des individuellen Erbguts von Enzymen und Transportern, die in die Metabolisierung von Arzneimitteln eingebunden sind. Sie wird auch darauf eingehen, wie damit die Variabilität von Interaktionen (Ausprägung und Nichtausprägung von Merkmalen) bei verschiedenen Individuen erklärt werden kann.
Die aktuelle Diskussion zum Einsatz von selbstentwickelten bzw. kommerziell verfügbaren Programmen, mit denen ADME-Daten vorausberechnet werden, greift Professor Amin Rostami-Hodjegan aus Manchester auf. Dabei geht er allgemein auf ADME-Programme für Voraussagen ein, und er bespricht solche, die speziell für metabolisch-bedingte Interaktionen konzipiert sind.
Die Vorteile der kommerziellen Programme liegen in der breiteren Datenbasis, den Informationen aus verschiedenen Organisationen, die Unterstützung bei der Schulung und in der benutzerfreundlichen Grafikoberfläche. Vorteile von internen Lösungen können die größere Flexibilität, maßgeschneiderte Modelle und der Lernprozess im Unternehmen bei der Erstellung der Modelle sein. Er wird insbesondere den Simcyp® Population ADME Simulator, der von einem Konsortium aus mehr als 20 Pharmaunternehmen erstellt wurde, vorstellen.
Ein weiteres sehr nützliches Werkzeug für die Studiengestaltung und Evaluation von Interaktionsstudien stellt Professor Isabelle Ragueneau-Majlessi vor. Sie wird auf Inhalt, Struktur und Funktionalität von DiDB (DDI Database of the University of Washington) eingehen.
Abschließend wird Dr. Robert Hermann (cr.appliance, Radolfzell, Deutschland) aufzeigen, wie klinische Interaktionsstudien in das gesamte klinische Entwicklungsprogramm integriert werden. Dabei geht er besonders auf das richtige Timing von Interaktionsstudien ein, um die Risiken und Ressourcen in der Projektentwicklung gut zu managen und damit die Zeitpläne für die Entwicklung zu optimieren.
Über den DDI Workshop
Der DDI Workshop ist eine Initiative von cr.appliance in Kooperation mit Hartmut Derendorf, Amin Rostami-Hodjegan und Oliver von Richter. Die Veranstaltung findet im Konferenzzentrum von Schloß Marbach am Bodensee statt.
Der Workshop kombiniert neue Erkenntnisse zur Untersuchung von Arzneimittelinteraktionen aus Sicht der Arzneimittelzulassung und der Sicht der klinischen Forschung. Dabei haben die Teilnehmer die Möglichkeit sich mit Experten aus der Pharmaindustrie, von CROs, von internationalen Zulassungsbehörden und der Wissenschaft auszutauschen.
Organisiert wird der DDI Workshop von:
• Hartmut Derendorf, PhD FCP; College of Pharmacy, University of Florida, USA
• Robert Hermann, MD FCP; cr.appliance, Germany
• Amin Rostami-Hodjegan, PhD FCP; Faculty of Medical and Human Sciences, University of Manchester, UK
• Oliver von Richter, PhD FCP; Dept. Exploratory Medicine, Merck Serono Germany;