Der Welthirntumortag wurde im Jahr 2000 von der Deutschen Hirntumorhilfe e.V. initiiert und hat das Ziel, die Aufmerksamkeit der breiten Öffentlichkeit auf diese nur wenig bekannte Erkrankung zu lenken. Er ruft zu Solidarität mit den Betroffenen auf und appelliert an die gesellschaftliche Verantwortung von Politik und Wirtschaft, die Forschung und interdisziplinäre Zusammenarbeit zu unterstützen, um so die Therapiemöglichkeiten zu verbessern.
Regensburg, 08.06.2010 – Gliome zählen zu den häufigsten Gehirntumorarten. Sie machen knapp die Hälfte aller primären Tumoren des Gehirngewebes aus und sind besonders aggressiv. Trotz Operation, Bestrahlung und Chemotherapie haben die Betroffenen meist nur eine Lebenserwartung von Monaten bis einigen Jahren. Eine neue zielgerichtete Therapie, die mittels der so genannten Antisense-Technologie die Bildung eines besonders tumorfördernden Eiweißes hemmt, befindet sich derzeit in der letzten klinischen Phase vor der Zulassung und könnte einen deutlichen Fortschritt in der Behandlung bösartiger Hirntumoren bedeuten.
Zellen in fortgeschrittenen Hirntumoren produzieren eine übermäßige Menge des tumorfördernden Eiweißes Transforming Growth Factor beta 2 (TGF-β2). Dieses wirkt u. a. wie ein Schutzschild, der den Tumor gegen das körpereigene Immunsystem abschirmt. Der Tumor kann ungehindert wachsen und seine Zellteilung und Ausbreitung wird durch TGF-β2 gefördert. Eine neue Therapie soll dies unterbinden, indem sie die Produktion von TGF-β2 hemmt und so das eigene Immunsystem wieder in die Lage versetzt, die Krebszellen zu erkennen und wirkungsvoll zu bekämpfen. Haben die Immunzellen einmal gelernt, wie Tumorzellen ‚aussehen‘, können sie diese auch an anderen Körperstellen erkennen und vernichten – bevor sie sich zu einer neuen Absiedelung entwickeln. Im Rahmen der internationalen Phase-III-Studie SAPPHIRE wird nun die Wirksamkeit des neuen Antisense-Wirkstoffs an einer repräsentativen Patientenzahl untersucht (vergl. www.anticancer.de).
„Der aktuelle Stand der Forschung zeigt, dass es sich bei Proteinen der TGF-β-Familie, insbesondere bei TGF-β2, um wichtige, den Tumor fördernde Proteine handelt, die in der Therapie von Krebserkrankungen eine sehr bedeutsame Rolle spielen werden“, ist sich Prof. Bogdahn sicher. „TGF-β2 ist in diverse Prozesse der Tumorentstehung und -progression involviert und wird daher auch in Zukunft ein immer spannenderes Forschungsgebiet mit großem Potenzial sein.“
Regensburger Neurologen bringen Forschung in die Klinik
In Deutschland nehmen derzeit elf Kliniken an der Studie teil, darunter auch die Universitätsklinik Regensburg: „Die Neurologie der Universität Regensburg unterstreicht damit ihre Rolle in der Überführung von Ergebnissen aus der Grundlagen- und klinischen Forschung hinein in die klinische Praxis“, so Prof. Dr. Ulrich Bogdahn, Direktor der Klinik und Poliklinik für Neurologie, Leiter der klinischen Prüfung in Deutschland und Mitentwickler des neuen Therapieansatzes. „Für die Behandlung bösartiger Hirntumoren ist die selektive Hemmung von TGF-β2 in Krebszellen mit Hilfe der Antisense-Technologie ein besonders vielversprechender Therapieansatz.“ Die Arbeitsgruppe unter Professor Ulrich Bogdahn und Privatdozent Peter Hau widmet sich bereits seit Jahren der Erforschung dieser tumorfördernden Proteinfamilie und führte die ersten klinischen Studien zur Sicherheit und Verträglichkeit der neuen Therapie durch.
Diagnose Gehirntumor – 8.000 Menschen erkranken jährlich in Deutschland
Ein Hirntumor bleibt dem Betroffenen oft lange Zeit verborgen, da er erst im relativ fortgeschrittenen Stadium Beschwerden verursacht: Die Tumormasse drückt auf das umliegende Gewebe und je nach ihrer Lokalisation stellen sich Symptome wie lang anhaltende Kopfschmerzen, Sprach- und Sehstörungen oder Lähmungen ein. Die Weltgesundheitsorganisation WHO unterscheidet vier Grade von Hirntumoren: WHO Grad I entspricht einem gutartigen, langsam wachsenden Tumor. Dahingegen steht der WHO Grad IV für bösartige, sehr rasch wachsende Tumoren, die mit den gegenwärtigen Behandlungs¬methoden kaum heilbar sind. Leider gehören Gliome nicht nur zur gefährlichsten, sondern auch zur häufigsten Hirntumorart. Die Zellen dieses Tumors sind in besonderem Maße zur Migration (Zellwanderung) fähig. Bei der Diagnosestellung haben sich meist schon einzelne Zellen vom Haupttumor gelöst und sind in benachbartes gesundes Hirngewebe eingewandert. Daher bleiben nach einer Operation, Strahlen- und Chemotherapie beinahe immer einige Krebszellen übrig, aus denen später neue Geschwulste entstehen.
„Eine Heilung bösartiger Hirntumore liegt gerade aufgrund der Migrationsaktivität der
Tumorzellen in weiter Ferne“, bestätigt Prof. Bogdahn. „Eine Therapie, die das Immunsystem spezifisch aktiviert und so auch vereinzelte Krebszellen bekämpfen kann, könnte das ändern!“
SAPPHIRE-Studie
Weitere Informationen zur SAPPHIRE-Studie, eine Übersicht über die Ein- und Ausschlusskriterien und Studienzentren erhalten Interessierte, Betroffene und Ärzte unter www.anticancer.de* oder unter der kostenfreien Nummer 0800 / 1802174**.
* Die Website www.anticancer.de wurde von der deutschen
Ethikkommission geprüft und freigegeben
** Die Nummer ist kostenfrei aus dem deutschen Festnetz
erreichbar und wurde von der Ethikkommission geprüft und
freigegeben. Aus dem Mobilfunknetzt ist die SAPPHIRE
Helpline nicht erreichbar.
Weiterführendes Pressematerial zur aktuellen Therapie bösartiger Hirntumoren, Hintergrundinformationen zur Klinik und Poliklinik für Neurologie der Universität Regensburg sowie ein ausführliches Interview mit Prof. Bogdahn stellen wir Ihnen gern zur Verfügung.