Endlich ist er da, der lang erwartete Sommer. Freuen kann sich, wer nicht arbeiten muss. In vielen betrieblich genutzten Gebäuden steigt jedoch derzeit die Innentemperatur bis zur Fiebergrenze. Nicht alle Büroräume haben eine Klimaanlage. Werkstätten und Betriebshallen bestehen oft aus Metall und Glas und wirken wie ein Backofen. Konzentration und Reaktionsfähigkeit leiden unter der Hitze, mancher Mitarbeiter ist gar vom Kreislaufkollaps oder ernsteren gesundheitlichen Problemen bedroht. Rechtlich hat dieses Problem zwei Aspekte: Die Arbeitnehmerrechte, die sich aus den Regelungen zum Arbeitsschutz ergeben sowie die Rechte des Arbeitgebers als eines Mieters von Gewerberäumen gegenüber dem Vermieter. Die D.A.S. Rechtsschutzversicherung erläutert die rechtliche Situation anhand einiger Gerichtsurteile.
Wärmeschutz und Arbeitsschutz: Maßgebliche Regelung ist die 2004 neu gefasste Arbeitsstättenverordnung. Sie besagt, dass Arbeitsstätten so einzurichten sind, dass von ihnen keine Gefahr für Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten ausgeht. Konkreter wird die im Juni 2010 in Kraft getretene Technische Regel für Arbeitsstätten ASR A3.5 "Raumtemperatur", die die frühere Arbeitsstättenrichtlinie "Raumtemperatur" ersetzt hat. Darin wird zunächst darauf hingewiesen, dass der Arbeitgeber schon beim Errichten der Arbeitsstätte auf die Einhaltung der baurechtlichen Regelungen über den sommerlichen Wärmeschutz zu achten hat. Eine gesundheitlich zuträgliche Raumtemperatur liegt danach vor, wenn die Wärmebilanz (Wärmezufuhr, Wärmeerzeugung und Wärmeabgabe) des Körpers ausgeglichen ist. In Arbeitsräumen, aber auch in Pausen-, Sanitär-, Kantinenräumen etc., darf eine Raumtemperatur von 26 Grad Celsius nicht überschritten werden. Betragen die Außentemperaturen über 26 Grad, sind nach Punkt 4,4 der Technischen Regel je nach Lage der Dinge (Schwere der Arbeit, Arbeit mit Schutzkleidung, besonders gefährdete Arbeitnehmer wie Schwangere) geeignete Hitzeschutzmaßnahmen zu ergreifen. Dies gilt zwingend, wenn die Raumtemperatur 30 Grad Celsius überschreitet. Wird gar die Marke von 35 Grad überschritten, ist der Raum laut Gesetzgeber ohne spezielle Schutzmaßnahmen nicht mehr als Arbeitsraum geeignet.
Fall 1: Vermieter muss für kühlere Räume sorgen: Arbeitgeber können in vielen Fällen über das gewerbliche Mietrecht für Kühlung sorgen. Beispielhaft ein Urteil des Landgerichts Bielefeld: Der Vermieter hatte den Neubau mit extra großen Fensterflächen errichten lassen. Eine Klimaanlage stand nur für wenige Räume zur Verfügung. Resultat: Im Sommer heizten sich die Büros regelmäßig auf über 32 Grad Celsius auf. Auch eine Sonnenschutzanlage und ausgiebiges Lüften brachten keine Verbesserung. Das Gericht verurteilte den Vermieter dazu, dafür zu sorgen, dass bei einer Außentemperatur von bis zu 32 Grad Celsius die Innentemperatur nicht über 26 Grad steigen könne. Bei höheren Außentemperaturen müsse die Innentemperatur sechs Grad unter der Außentemperatur bleiben. Der Vermieter habe das Mietobjekt in einem zum vertragsgemäßen Zweck geeigneten und gebrauchstauglichen Zustand zu halten. Bei einer Gewerbeimmobilie sei dieser Zweck, dass darin gearbeitet werden könne - es müssten also die Arbeitsschutzgesetze beachtet werden. Die Temperaturangaben stammten hier aus der alten Arbeitsstättenrichtlinie "Raumtemperatur". Das Gericht wies darauf hin, dass ein Mieter, der auf eine Klimaanlage verzichte, damit nicht automatisch überhöhte Raumtemperaturen in Kauf nähme.
LG Bielefeld, Urteil vom 16.4.2003; Az. 3 O 411/01
Fall 2: Überhitzte Spielhölle: Mitarbeiter und Kunden einer Spielhalle hatten sich über allzu große Hitze im Sommer beklagt. Der Inhaber klagte gegen den Vermieter. Das Oberlandesgericht Hamm machte deutlich, dass in einer Spielhalle die gleichen Regeln gelten wie in allen anderen Arbeitsräumen: Bei einer Außentemperatur von bis zu 32 Grad darf die Innentemperatur regelmäßig 26 Grad nicht übersteigen. Bei höheren Außentemperaturen soll die Innentemperatur regelmäßig mindestens sechs Grad unter der Außentemperatur liegen. Werden diese Grenzen nicht eingehalten, liegt ein Sachmangel der Mietsache vor - mit der Konsequenz, dass der Vermieter den Mangel beseitigen muss und dass der Mieter für die Zeit, in der der Mangel besteht, eine Mietminderung geltend machen kann. Das Gericht berief sich hinsichtlich der Temperaturangaben ebenfalls auf die damalige Arbeitsstättenrichtlinie.
Oberlandesgericht Hamm, Urteil vom 28.2.2007, Az. 30 U 131/06
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