Im Medizinischen Controlling deutscher Krankenhäuser arbeiten Kolleginnen und Kollegen aus den unterschiedlichsten Berufszweigen Tür an Tür: neben studierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Leitungsfunktionen – Ärzten etwa, Juristen oder Betriebswirten mit Abschlüssen diverser Anwendungsgebiete – findet man ebenso ausgebildete Medizinische Dokumentationsassistenten (MDA) oder weitergebildete Medizinische Fachangestellte, die den mangelnden Aufstiegschancen ihres Berufsstandes mit einem Upgrade zur Kodierassistentin begegnet sind.
Insbesondere die MDAs gehören einem Berufszweig an, der bisher noch nicht in den Genuss eines gesetzlich geregelten Entgelts gekommen ist und daher weder vom TVöD, BAT oder konfessionellen Tarifsystemen wie den Arbeitsvertragsrichtlinien des Deutschen Caritasverbandes (AVR) definiert worden wäre. Auch vom Deutschen Verband Medizinischer Dokumentare (DVMD) e. V. gibt es keine Richtlinien. Somit erfolgt die Eingruppierung von MDAs von Klinik zu Klinik höchst individuell – oder eben nach Gutdünken der jeweiligen Personalabteilung. Beispielsweise werden MDAs in einem Krankenhaus in Trier nach AVR 6b vergütet, während etwa 40 km östlich vor den Toren der Stadt die gleiche Tätigkeit nach AVR 4b vergütet wird. Für einen Berufseinsteiger in Lohnsteuerklasse 1 macht dies immerhin einen Nettounterschied von etwa 230 Euro aus.
Als wäre die Eingruppierung nicht schon unerquicklich genug, sorgt auch ein zweiter Umstand für Ungerechtigkeit. Zwar ist die zweijährige Ausbildung zur Medizinischen Dokumentationsassistentin an den meisten Berufsfachschulen staatlich anerkannt, die Berufsbezeichnung selbst ist aber nicht staatlich geschützt, anders als beispielsweise bei den Gesundheits- und Krankenpflegern. Krethi und Plethi dürfen sich quasi Medizinische Dokumentationsassistenten schimpfen – unabhängig davon, ob sie in einer staatlich anerkannten Ausbildung das gesamte Spektrum der Klinischen Dokumentation während zweier Jahre und mehrerer Praktika gründlich gelernt haben oder lediglich in einer Blockveranstaltung über mehrere Wochen oder Monate oder einem mehrwöchigen Kursus die Geheimnisse des DRG-Systems allenfalls gestreift haben. Outcome-Orientierung hin oder her – eine gleiche Vergütung dieser nach Art, Ausbildungsdauer und Qualität der Ausbildungsinhalte doch sehr heterogenen Abschlüsse erscheint manchen daher zu Recht als suspekt, und entsprechend groß ist die Verunsicherung, wenn es an die Eingruppierung geht. Wenn dann eine Krankenschwester nach ihrer Odyssee aus berufsbedingter Krankheit, anschließender Reha- (wegen Berufsunfähigkeit) und Umschulungsmaßnahme (wegen Teilhabe am Arbeitsleben) schließlich zu ihrem Arbeitgeber zurückkehrt, wo sie als Mitarbeiterin im Medizin-Controlling ihren angestammten Vertrag behält, dann gibt es in ein und derselben Abteilung ein Gewimmel von höchst unterschiedlichen Vergütungsregelungen.
„Auf die Dauer ist dies unbefriedigend und führt nicht selten zu Unmut innerhalb der Abteilungen“, berichtet Ulrich Wirth, Leiter der Höheren Berufsfachschule für Medizinische Dokumentationsassistenten der Euro-Schulen Trier, der mit seinen Absolventinnen und Absolventen auch Jahre nach der Zeugnisausgabe im Gespräch bleibt. „Dominieren in den ersten Jahren noch Themen wie Fortbildungen, interessieren sich die Teilnehmer mit zunehmender Betriebszugehörigkeit auch für berufspolitische Themen. Mittlerweile mehren sich Stimmen, die einerseits die tarifliche Regelung der Bezüge von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Medizinischen Controlling, andererseits eine Abgrenzung des Berufsbilds nach unten fordern.“
Der berlin-brandenburgische Richterspruch ist da vielleicht ein erster Anfang.
Quelle:
http://www.gerichtsentscheidungen.berlin-brandenburg.de/jportal/?quelle=jlink&docid=JURE100067434&psml=sammlung.psml&max=true&bs=10