Der eine ist noch nicht mal neun Jahre alt, die anderen sind mitten im Teenie-Alter - und sie haben eine schwere Krankheit: Luca, Selina, Katja und Christoph leiden an einem angeborenen Immundefekt. Dabei haben sie noch Glück: Ihre Krankheit ist erkannt und wird entsprechend therapiert. Deutschlandweit sind nur rund zwei Prozent der Betroffenen diagnostiziert, und vor allem bei jungen Menschen ist die Dunkelziffer der nicht diagnostizierten Betroffenen sehr hoch. Bei einer Kinder- und Jugendpressekonferenz der Deutschen Selbsthilfe Angeborene Immundefekte
e. V. (dsai) im Leipziger Klinikum St. Georg gGmbH erzählten vier Kinder und Jugendliche aus ihrem Leben mit dem Immundefekt und gaben Einblicke in ihre Krankheitsgeschichte. "Nach wie vor ist die flächendeckende Versorgung von Patienten mit einem angeborenen Immundefekt - aus dem Blickwinkel der Wohnortnähe - in Deutschland noch nicht optimal", stellte Staatsministerin Christine Clauß fest. Clauß hatte für die Kinder- und Jugendpressekonferenz die Patenschaft übernommen. Unterstützung bekam die Sozialministerin von Bürgermeister Prof. Thomas Fabian. "Aufklärung tut Not und rettet Kinderleben", betonte er in seiner Begrüßungsrede.
Wer an einem angeborenen Immundefekt erkrankt ist, geht häufig einen langwierigen Leidensweg. Schwerste Infekte, unzählige Krankhausaufenthalte, unzureichende Behandlung und soziale Isolation sind eher die Regel denn die Ausnahme. Vor allem Kinder und Jugendliche sind von der seltenen Krankheit betroffen. Die dsai hatte zusammen mit dem Klinikum St. Georg gGmbH Leipzig am Montag, 30. August 2010, zu einer Pressekonferenz eingeladen. Dort kamen sowohl Experten als auch Betroffene zu Wort. André Sarrasani, Schirmherr der dsai und Chef des Dresdner Traditionsunternehmens Sarrasani, interviewte die vier wichtigsten Personen dieser Pressekonferenz: die von einem angeborenen Immundefekt Betroffenen Luca Schwenke (8½), Selina Regis (17), Katja Popp (14) und Christoph Mählmann (15). Sie erzählen von ihren Ärzte-Odysseen und zahlreichen Krankenhausaufenthalten, bis endlich die Diagnose gestellt und eine passende Therapie eingeleitet wurde.
Luca hat einen Antikörpermangel, der sich über die Atemwege äußert. Als Kleinkind waren ein Inhalator und Antibiotika seine ständigen Begleiter, nach einer schweren Lungenentzündung wurde sein Zustand kontinuierlich schlechter. Erst auf Drängen der Mutter überwiesen ihn die Ärzte ins Klinikum St. Georg, wo das Team von Prof. Dr. Michael Borte in der Immundefektambulanz den angeborenen Immundefekt diagnostizierte. "Ich kann mir inzwischen ganz allein meine Medizin unter die Haut spritzen", erzählt Luca, dessen großes Hobby die Leichtathletik ist. "Das Spritzen tut gar nicht weh. Und da ich es jeden Sonntag mache, bin ich immer fit für die Woche."
Christoph, der an einer Agammaglobilinämie leidet, hatte bereits im Alter von acht Monaten erste Beschwerden. Mittelohrentzündungen und starke Bronchitis wechselten sich ab, hinzu kam regelmäßig Durchfall. Nachdem er mit eineinhalb Jahren die Diagnose "Immundefekt" bekam, geht es dem inzwischen 15-Jährigen erheblich besser. Selina spritzt sich einmal wöchentlich Immunglobuline in die Fettschicht ihres Bauches, kann ihren Immundefekt also subkutan therapieren. Die Immunglobuline sind Antikörper zur Abwehr von Krankheitserregern, die aus menschlichem Blutplasma gewonnen werden. Wie auch Katja leidet sie an einem variablen Immundefektsyndrom (CVID). Für die 19-Jährige stellt sich nun das Problem der weitern Betreuung: Als Erwachsene findet Selina in Leipzig kaum eine adäquate Anlaufstelle, das Immundefektzentrum am Klinikum St. Georg betreut derzeit nur Kinder und Jugendliche. "In Sachsen haben wir ein massives Problem der Unterversorgung für Menschen mit angeborenem Immundefekt", berichtet Prof. Dr. Michael Borte. Umso wichtiger sei es, in der Ärzteschaft ein Bewusstsein für diese Krankheit zu schaffen, entsprechende Fortbildungen anzubieten und bestehenden Zentren, die die Expertise dafür haben, auch die Genehmigung zur Behandlung von erwachsenen Patienten mit primären Immundefekt zu erteilen.
"Es ist immer wieder beeindruckend mitzuerleben, wie Kinder und Jugendliche mit einem angeborenen Immundefekt wieder aufleben, sobald sie entsprechend ihrer Krankheit therapiert werden", erzählt André Sarrasani auf der Kinderpressekonferenz. Gemeinsam mit der dsai-Bundesvorsitzenden Gabriele Gründl mahnt er die Dringlichkeit einer Aufklärung an. "Eine falsche oder nie gestellte Diagnose kann im schlimmsten Fall zu einem frühen Tod der Betroffenen führen. Bundesweit besteht ein erhebliches Versorgungsdefizit, es gibt zu wenige Immundefektambulanzen, in denen Betroffene von der Kindheit bis zum Erwachsenenalter behandelt werden können", stellte Gründl fest.