Viele Menschen sind betroffen, aber nur ein Teil davon weiß es auch: Sie leiden an einem angeborenen Immundefekt. Oft haben sie einen langen Leidensweg hinter sich - schwerste Infekte, zahlreiche Kranken¬hausaufenthalte, Arbeitsunfähigkeit und soziale Isolation -, bevor die richtige Diagnose gestellt und eine entsprechende Therapie eingeleitet wird. Mit FIND-ID ist eine Netzwerkinitiative an die Öffentlichkeit gegangen, die Aufklärungsarbeit bei Ärzten und Betroffenen leisten will, um Patienten mit primären Immun¬defekten früher zu identifizieren. Am 4. September 2010 fand die zweite Fortbildung von FIND-ID für rund 50 Ärzte aller Fach¬richtungen am Universitätsklinikum Frankfurt am Main statt.
Primäre Immundefekte (Primary Immunodeficiency Diseases - PID) manifestieren sich meistens durch ungewöhnliche Infektionen. Da sie seltene Erkrankungen sind, fließen sie in differentialdiagnostische Überlegungen oft nicht ein. Dabei sind die Diagnose und eine gezielte Therapie wichtig, um irreversible Organ¬schäden zu vermeiden, und, je nach Fall, einen frühzeitigen Tod zu verhindern.
Immundefekt-Kompetenz bündeln
Die Netzwerkinitiative FIND-ID will Kinderärzte, Internisten ver¬schiedener Fachdisziplinen, Hals-Nasen-Ohren-Ärzte, Dermatologen und Allgemeinmediziner in Krankenhäusern und Praxen gezielt dafür sensibilisieren, bei Patienten mit schweren, wiederkehrenden und zerstörerischen Infektionen an einen angeborenen Immundefekt zu denken. Das ist Voraussetzung dafür, frühzeitig mit Hilfe von Anamnese, Klinik und Labor eine erste Diagnose zu erstellen, weitere Untersuchungen zu veranlassen und mit einem der Schwer¬punktzentren für primäre Immundefekte zusammenzuarbeiten. Nur so können betroffene Patienten mit angeborenem Immundefekt eine angemessene Therapie bekommen.
FIND-ID wurde 2009 gegründet. Ideengeber der Netzwerkinitiative sind die Klinischen Immunologen Prof. Tim Niehues, Helios-Klinikum in Krefeld und Prof. Volker Wahn, Charité Berlin, sowie Gabriele Gründl, Bundesvorsitzende Deutsche Selbsthilfe Angeborene Immundefekte e. V. (dsai). "Ein Kompetenznetzwerk ist für seltene Erkrankungen wie PID unver¬zichtbar", stellt Gründl fest. "Denn in Deutschland liegt die Zahl der tatsächlich diagnostizierten Fälle weit hinter der vermuteten Anzahl zurück. Wir wollen mit FIND-ID die vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Ärzten in Kliniken, Praxen und Immundefektzentren auf der einen und der Patienten¬vertretung auf der anderen Seite fördern und stärken."
Aufklärung über angeborene Immundefekte
Die vergangenen Monate haben die Initiatoren und Mitglieder zu¬nächst dafür genutzt, das Netzwerk in Fachkreisen bekannt zu machen. Eine erste Ärztefortbildung zum Thema "Primäre Immundefekte bei Kindern und Erwachsenen - Vom Verdacht über die Diagnose bis zur Therapie" fand im Februar dieses Jahres statt. An der zweiten Ärztefortbildung am 4. September 2010 unter dem Titel "Chronische / rezidivierende Erkrankungen des Respirations¬trakts: Differentialdiagnosen und Therapie" nahmen rund 50 Ärzte aus dem gesamten Rhein-Main-Gebiet teil. Veranstaltungsort war das Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin III des Universitäts¬klinikums Frankfurt am Main.
Bei der Ärztefortbildung am vergangenen Samstag kamen nach einer kurzen Einführung in das Thema von Dr. med. Ines Schöndorf, Medizinische Koordinatorin von FIND-ID, Experten aus den relevanten Fachgebieten zu Wort. Neben PID-Experten wurden dafür Fachmediziner aus Bereichen ausgewählt, in denen Patienten mit einem primären Immundefekt - oft vor der Diagnosestellung - vor¬stellig werden.
Zu Beginn der Veranstaltung stellte Dr. rer. nat. Dr. med. Richard Linde, Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin, Klinikum der Johann Wolfgang Goethe Universität, Frankfurt, kurz die Bedeutung des Themas dar. Prof. Dr. med. Alexander Weber von der Klinik für Hals-Nasen-Ohren-Krankheiten, plastische Operationen und Allergologie in Essen erläuterte wichtige Aspekte in der differentialdiagnostischen Abklärung von Patienten mit hartnäckigen Infektionen im HNO-Bereich. Neben anatomischen Besonderheiten, Allergien, Asthma oder ASS-Intoleranz solle bei chronischen Ver¬läufen, insbesondere bei schlechtem Ansprechen auf eine anti¬biotische Therapie, immer auch an einen Immundefekt gedacht werden, so der Mediziner. Gerade bei solchen Verläufen sei der An¬teil an Patienten, die an einem PID leiden, relativ hoch.
Dr. med. Karl-Otto Steinmetz, Pneumologische Praxis Darmstadt, führte die Zuhörer aus dem Blickwinkel "Husten-Reflexbogen" an die möglichen Differentialdiagnosen des chronischen Hustens heran. Er zeigte die Veränderungen bei der chronisch obstruktiven Lungen¬entzündung (COPD) und Asthma dar. "Während sich die COPD in den meisten Fällen durch Rauchverzicht verhindern lässt, liegt bei den primären Immundefekten eine andere Situation vor, da diese - leider oft lange unerkannt und damit nicht adäquat therapiert - zu bleibenden Schädigungen der Lunge führen können", erläuterte Steinmetz.
Prof. Dr. med. Hans-Hartmut Peter, Abteilung Rheumatologie und Klinische Immunologie am Freiburger Universitätsklinikum, ver¬schaffte dem Auditorium einen Einblick in die verschiedenen Warn¬zeichen, die bei erwachsenen Patienten den Verdacht auf einen primären Immundefekt lenken. Zudem beschrieb er ausführ¬lich die weiteren diagnostischen Schritte. Anhand zahlreicher Grafiken ver¬mittelte er die verschiedenen Funktionen der Immunsystem¬komponenten und legte dabei den Fokus auf Erkrankungen mit Anti¬körpermangel, die auch durch sekundäre Immundefekte verursacht sein können.
Prof. Dr. med. Volker Wahn, Klinik für Pädiatrie mit Schwerpunkt Pneumologie und Immunologie, Charité, Berlin, komplettierte die Vortragsreihe durch dokumentarische Bilder von klinischen Symptomen verschiedener Immundefekte. Er unterstrich die Be¬deutung einer rechtzeitigen, korrekten Diagnose, denn eine Verschleppung insbesondere bei den im Kindesalter anzutreffenden, schweren kombinierten Immundefekten könne zu einem frühzeitigen, fatalen Ausgang führen.
Schließlich beleuchtete Klaus Hollmann von der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen das Problem des Arzneimittelregresses wegen Behandlung chronisch kranker Patienten.
Ärzte, die FIND-ID beitreten wollen, können sich wenden an:
Dr. Ines Schöndorf, MBA, Medizinische Koordinatorin, Beethovenstrasse 31, D-35418 Buseck-Oppenrod, Telefon: 0151 40013532, Fax: 06408 940332, E-Mail: ines.schoendorf@find-id.net.