Heidelberg, 9. September 2010
Warum bringt ein Mensch sich um? Hierfür gibt es mehrere Gründe. Fakt ist, dass 90 Prozent der Selbstmörder unter psychischen Erkrankungen wie Depressionen leiden oder sich in einer Sucht gefangen fühlen. Einsamkeit ist ein weiterer Faktor, denn eine gesellschaftliche Gruppe, die stark von dem Suizid betroffen ist, sind ältere Menschen ab 60 Jahren. Doch auch bei Jugendlichen zwischen 15 und 25 Jahren ist die Rate hoch. Menschen mittleren Alters wählen statistisch weniger häufig den Freitod. In Bezug auf soziale Schichten weiß die Forschung, dass Suizide gehäuft in sozialen Randgruppen auftreten. Das soziale Umfeld spielt also ebenso eine entscheidende Rolle. Fühlt sich ein Mensch in Familie und Freundeskreis geborgen, kommt der Gedanke an den Selbstmord wesentlich seltener auf als in zerrütteten Verhältnissen.
Besonders interessant ist das Phänomen, das sich Betroffene oft nach ihrer Entscheidung zum Suizid ein Vorbild suchen. Die Fachliteratur spricht hier vom „Werther-Effekt“. In Goethes Werther erschießt sich die Hauptfigur nach unerfülltem Liebesglück. Die Veröffentlichung des Buches löste 1774 eine Reihe von Selbstmorden aus. Auch heute noch werden in so genannten Suizid-Foren Methoden des Selbstmordes vorgestellt und diskutiert. Für Angehörige und Freunde eines potentiell selbstmordgefährdeten Menschen ist diese Situation eine schwere Bürde.
Tipps für Angehörige
Prof. Dr. Matthias Weisbrod, Chefarzt für Psychiatrie am SRH Klinikum Karlsbad-Langensteinbach rät dazu, das direkte Gespräch zu suchen. Aussagen in Richtung Suizid müssen immer ernst genommen werden, auch wenn sie oft heruntergespielt oder als harmlos erachtet werden. Bestimmte Äußerungen lassen auf das Seelenleben des Anderen schließen. „Äußert ein Verwandter oder Bekannter passive Todeswünsche wie `es wäre besser, wenn ich morgen nicht mehr aufwache`, dann sollten gezielt Probleme angesprochen werden. Dies ist der beste Weg, um eine Brücke zu schlagen“ weiß der Facharzt. Umgekehrt kann es allerdings auch sein, dass sich der Betroffene schämt und Angst hat, dem Freund oder Angehörigen eine Belastung zu sein. Dann ist erst Recht das offene Wort die beste Maßnahme. Wichtig für den Angehörigen ist jedoch auch, dass er sich dabei nicht selbst überschätzt, denn „Angehörige sind wichtig, sie können aber keinen Therapeuten ersetzen“ so Prof. Dr. Weisbrod.
In den letzten Jahren ist viel in Bezug auf öffentliche Einrichtungen und Anlaufstellen für Menschen mit psychischen Problemen getan worden. Es muss nicht immer gleich die Psychiatrie sein, in die Menschen mit Suizidgedanken eingeliefert werden. Einrichtungen wie die Telefonseelsorge oder der Arbeitskreis Leben (www.ak-leben.de) sind ebenso wichtige Anker für Menschen mit Todessehnsucht.