Es passiert alle drei Minuten in Deutschland: Ein Wirbel bricht, oft als Folge davon, dass der Knochen aufgrund von Osteoporose stark an Substanz verloren hat.
"Beachten Sie die ersten Anzeichen!" titelt deshalb der Bundesselbsthilfeverband für Osteoporose e.V. (BfO) in Vorbereitung auf den Patientenkongress zum Weltosteoporose-Tag am 9. Oktober in Ulm. Seine Initiative "Jetzt gerade! Auf den Wirbel kommt es an" konzipierte mit medizinischen Experten, Patienten und der International Osteoporosis Foundation (IOF) eine Checkliste, die bei plötzlich einsetzendem Rückenschmerz Orientierung bietet, etwa bei der eigenen Beobachtung des Schmerzes oder der Wahl des richtigen Facharztes. "Die Checkliste soll Patienten darin unterstützen, sich und dem Arzt die richtigen Fragen zu stellen, damit Brüche in Zukunft häufiger erkannt und richtig behandelt werden", erklärt Professor Thomas Blattert, Oberarzt am Universitätsklinikum Leipzig, der die Checkliste mit entwickelt hat. Erhältlich ist sie auf der Internetseite der Initiative unter www.initiative-jetzt-gerade.de.
Unsichtbarer Gegner im Rücken
1,8 Millionen Menschen in Deutschland leben derzeit mit Wirbelsinterungen, bei zwei Dritteln werden die Beschwerden als Bandscheibenleiden, unspezifischer Rückenschmerz oder Alterserscheinung fehldiagnostiziert. Die unentdeckten Brüche wachsen so in Fehlstellung zusammen und ziehen das Risiko für Folgefrakturen nach sich, aus denen der sogenannte Witwenbuckel entsteht.
"Der Bruch verläuft oft unauffällig, aber die Folgen nicht therapierter Frakturen sind verheerend", weiß Birgit Eichner, Präsidentin des BfO. Sie und ihr Sohn sind wie 7,8 Millionen anderer Deutscher von Osteoporose betroffen, beide möchten bis ins hohe Alter Selbständigkeit und Beweglichkeit genießen.
Das Europäische Parlament geht davon aus, dass bis 2050 doppelt so viele Menschen wie heute an Osteoporose erkranken werden. Vergleichbar dürfte die Zahl der osteoporosebedingten Wirbelkörperbrüche ansteigen.
Checkliste bewahrt Haltung
Den Fragebogen zu Beginn, Stärke und Häufigkeit der Schmerzen können Betroffene selbst ausfüllen und mit zum Arzt nehmen. Zusätzlich enthält die Checkliste einen Leitfaden mit Informationen zu Leistungen und Behandlungsmöglichkeiten der verschiedenen Fachärzte. Neben Tipps und Fakten zum Thema Wirbelkörperbruch werden für die Erkennung notwendige "bildgebende Verfahren" wie Röntgenaufnahmen und MRT (Magnetresonanztomographie) erklärt und mögliche Therapieformen vorgestellt.
Experten schätzen die Anzahl der Wirbelbrüche in Deutschland pro Jahr auf 230.000 - über ein Drittel der Brüche entfallen auf Männer, weiß Professor Blattert. "Die Checkliste soll deutlich machen, dass eine schnelle Abklärung der Beschwerden notwendig ist, damit Patienten eine echte Wahl zwischen den unterschiedlichen Therapieformen haben", so der Orthopäde und Chirurg, selbst Anwender der Ballon-Kyphoplastie. Bei dem minimal-invasiven Operationsverfahren wird mithilfe eines kleinen Ballons der gebrochene Wirbel aufgerichtet und mit Knochenzement stabilisiert.
Weltweite Relevanz
Auch international steht das Thema Wirbelkörperbruch im Jahr 2010 auf der Agenda: Der internationale Osteoporose Verband IOF, Mitherausgeber der Checkliste, stellt den diesjährigen Welt-Osteoporose-Tag der Weltgesundheitsorganisation (WHO) am 20. Oktober ganz unter das Motto des Knochenbruchs. Die größte gemeinnützige Nichtregierungsorganisation, die sich dem weltweiten Kampf gegen Osteoporose verschrieben hat, appelliert mit der Initiative an Ansprechpartner in Deutschland, das umzusetzen, was in vielen anderen europäischen Ländern längst Standard ist: Lückenlose und laienverständliche Aufklärung auf dem neuesten Stand der Wissenschaft, Hilfestellung und Anregung zur frühzeitigen Prävention sowie Experten- und Patientenrat.
Quellenangaben:
"1,8 Millionen Patienten müssen mit Wirbelsinterungen leben." Quelle: Scheidt-Nave, C.: Osteoporotische Wirbelfrakturen - Epidemiologie und Krankheitslast. In: Z. Allg. Med., 2003, 135-142.
"7,8 Millionen Menschen sind von Osteoporose betroffen." Quelle: Haussler B, Gothe H, Gol D, et al., Epidemiology, treatment and costs of osteoporosis in Germany - the BoneEVA Study. Osteoporos Int 18:77, 2007.
"Bis zum Jahr 2050 werden in Europa doppelt so viele Menschen wie bisher an Osteoporose erkranken." Quelle: Bundesselbsthilfeverband für Osteoporose e.V., Dachverband der Osteoporose Selbsthilfegruppen (Hrsg.): Osteoporose - was nun?; Der Ratgeber Osteoporose.
"Experten schätzen die Anzahl der Wirbelbrüche in Deutschland pro Jahr auf 230.000" Quelle: Leitlinie Osteoporose bei Erwachsenen, Dachverband Osteologie (DVO), 2009.
"Ein Drittel der Brüche entfallen auf Männer." Quelle: Berechnung basierend auf der Leitlinie Osteoporose bei Erwachsenen, Dachverband Osteologie (DVO), 2009.