Schmerzbezogene Wörter aktivieren im Gehirn dieselben Bereiche, die auch bei der Verarbeitung von Schmerz aktiv sind. Das ergab eine Untersuchung von Jenaer Forschern um Maria Richter und Judith Eck. Außerdem erregen Schmerzwörter die Aufmerksamkeit mehr als andere. Die weitere Erforschung dieser Mechanismen könnte zu einem besseren Verständnis der Wahrnehmung und Chronifizierung von Schmerz führen. Für ihre Arbeit wurden die Forscherinnen beim Deutschen Schmerzkongress in Mannheim mit dem mit 3.500 Euro dotierten zweiten Preis der Kategorie Grundlagenforschung des Förderpreises für Schmerzforschung 2010 ausgezeichnet. Der Preis wird jährlich vergeben von der Deutschen Gesellschaft zum Studium des Schmerzes e.V. Stifterin ist die Grünenthal GmbH (Aachen).
Das Gehirn bei der Wortverarbeitung beobachten
Die Psychologinnen konfrontierten 16 gesunde Personen mit verschiedenen Begriffen, die sich entweder auf Schmerz bezogen (z.B. krampfartig), positiv (wärmend), negativ (feindlich) oder neutral (kurzhaarig) waren. Während die Probanden die Wörter lasen, beobachteten die Forscherinnen ihre Hirnaktivität mittels funktioneller Kernspintomografie. Verschiedene Aufgaben richteten die Aufmerksamkeit der Versuchspersonen dabei auf den Wortinhalt oder lenkten sie davon ab. So sollten sie sich den Schmerz entweder vorstellen oder sich an schmerzhafte Situationen erinnern oder sie sollten die Vokale der Wörter zählen.
Ergebnis: Schmerznetzwerk wird aktiviert
Wenn sich die Personen auf den Wortinhalt konzentrierten, wurden in ihren Gehirnen die Bereiche aktiv, die auch an der Verarbeitung von Schmerz beteiligt sind. "Wir gehen davon aus, dass durch diese Aktivierung die Sensitivität für nachfolgende Schmerzreize steigt", erklärt Maria Richter. Wurden die Patienten abgelenkt, ließ das Aktivierungsmuster des Gehirns auf einen Aufmerksamkeitskonflikt schließen, der stärker war als beim Lesen anderer Wörter. "Wir vermuten, dass Wörter, die mit Schmerz assoziiert sind, für das menschliche Aufmerksamkeitssystem auffälliger sind als andere", folgert Maria Richter. "Man könnte vermuten, dass es evolutionär sinnvoll ist, dass diese Reize viel Aufmerksamkeit binden, denn Schmerz kann lebensbedrohlich sein und unser Organismus ist daher immer bestrebt, Gefahren schnell und früh zu erkennen und Schmerzen zu vermeiden."
Rückschlüsse auf Chronifizierung und Therapie
Die Forscherinnen erhoffen sich neue Erkenntnisse über die Wahrnehmung von Schmerz und über den Prozess, der dazu führt, dass Schmerz chronisch wird. Die gehäufte Verarbeitung schmerzbezogener Reize könnte die Nervenverbindung des Schmerznetzwerks stärken und damit die schmerzbezogener Aufmerksamkeit erhöhen. Rückschlüsse für die Therapie zu ziehen, sei schwierig. "Man könnte meinen, man sollte nun als Angehöriger oder Behandler möglichst wenig über Schmerzen sprechen. Aus dem klinischen Alltag wissen wir aber, dass das Sprechen über oder sogar die Konfrontation mit Schmerzen eine gewisse Erleichterung und Angstreduktion beim Patienten bewirken kann", erläutert Maria Richter. "Sicher kann man ableiten, dass eine übermäßige problemzentrierte Kommunikation über den Schmerz eher schmerzverstärkend wirkt, da dadurch die Aufmerksamkeit auf die Schmerzen gelenkt wird."
Titelaufnahme
Maria Richter, Judith Eck, Thomas Straube, Wolfgang H.R. Miltner, Thomas Weiss: Do words hurt? Brain activation during the processing of pain-related words. In: PAIN, 2010 Feb; 148(2): 198-205, doi:10.1016/j.pain.2009.08.009
Ansprechpartnerin
Dipl.-Psych. Maria Richter, Universitätsklinikum Jena, Klinik für Neurologie, Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin (Schmerzambulanz), Erlanger Allee 101, 07747 Jena, Tel.: 03641-9323482, E-Mail: Maria.Richter@med.uni-jena.de