In Deutschland leben heute 1,1 Millionen Menschen, die an einer Demenzerkrankung leiden. Das Bundesministerium für Gesundheit prognostiziert innerhalb der nächsten 20 Jahre einen weiteren Anstieg auf dann 1,7 Millionen Erkrankungen. Viele diese Menschen werden im Rahmen einer Rund-um-die-Uhr-Pflege betreut werden müssen. Weder unsere Gesellschaft noch unser Gesundheitssystem sind hinreichend gerüstet, so der Gerontologe Adriano Pierobon, diese gewaltige Herausforderung zu meistern. Lösbar ist diese Aufgabe nach Pierobons Auffassung nur, wenn die Versorgung demenzkranker Menschen insbesondere im häuslichen Umfeld durch geeignete Unterstützungsleistungen sichergestellt wird. In diesem Zusammenhang genüge es nicht, pflegende Angehörige nur durch den sporadischen Besuch eines ambulanten Pflegedienstes zu unterstützen. Vielmehr sei eine viel weiterreichende Unterstützung - bis hin zur dauerhaften oder vorübergehenden Rund-um-die-Uhr-Betreuung erforderlich, denn die Versorgung dieser Kranken sei fachlich anspruchsvoll und darüber hinaus so kräftezehrend, dass viele pflegende Angehörige dabei selbst krank werden. Für eine angemessene Unterstützung fehlen aber heute sowohl die ökonomischen wie auch die personellen Ressourcen. Geradezu tragisch wirke sich außerdem aus, dass selbst ausgebildete Pflegekräfte nicht hinreichend im Umgang mit demenzkranken Menschen qualifiziert seien. Anhand eines Beispiels illustriert Pierobon, welche tragischen Folgen solche fachlichen Defizite haben können: eine demenzkranke Frau, die Unruhe, aggressives und abwehrendes Verhalten zeigte, wurde über Monate mit einem Neuroleptikum behandelt und ruhiggestellt. Niemand hat erkannt, dass nach einem Sturz der Oberarm gebrochen war. Die Schmerzen, die diese Frau nicht mehr verbal, sondern nur noch durch ihr Verhalten und mittels ihrer Mimik ausdrücken konnte, müssen gerade bei pflegerischen Verrichtungen furchtbar gewesen sein! Deshalb hat sich diese Frau gerade gegenüber Pflegekräften, deren Handlungen sie als schmerzhaft und bedrohlich empfinden musste, abwehrend und aggressiv gezeigt. Das Beispiel verdeutlicht, dass es nicht damit getan ist, den Pflegenotstand dadurch zu beheben, dass man ausländische Hilfskräfte ins Land holt oder langzeitarbeitslose Hatz IV - Bezieher nach dem Motto "Pflegen kann jeder" zu Pflegetätigkeiten heranzieht, wie das unlängst von der Bundeskanzlerin vorgeschlagen wurde. Pierobon hat im eigenen Unternehmen, der Firma HUMANIS GmbH, die bundesweit in der häuslichen Rund-um-die-Uhr-Betreuung tätig ist, angesichts dieser Probleme eine andere Konsequenz gezogen: MitarbeiterInnen dieses Unternehmens werden systematisch im angemessenen Umgang mit Demenzkranken geschult und mit bewährten Therapieverfahren, wie Realitäts - Orientierungs - Training, Milieutherapie und Validation, vertraut gemacht. Pierobon zeigt sich überzeugt, dass nur so eine adäquate Versorgung demenzkranker Menschen möglich sein wird. Wenn eine demenzkranke Frau, die an frakturbedingten Schmerzen leidet, wegen Unruhe medikamentös ruhiggestellt wird, hat diese fachliche Fehlleistung furchtbare und unmenschliche Konsequenzen. Solche Fehler werden sich aber nur dann vermeiden lassen, wenn Pflegende um das Wesen der Erkrankung wissen und im richtigen Umgang mit den Kranken geschult sind, so Pierobon