Manchester / Wien (wnorg) - Der moderne Lebensstil der heutigen Zeit ist wahrscheinlich für Millionen von Krebstoten mitverantwortlich. Fest steht: Eine solche Flutwelle bösartiger Tumorerkrankungen wie heutzutage gab es beispielsweise in der Antike nicht. Mumienuntersuchungen belegen: Krebs war damals eine höchst seltene Krankheit. Was aber macht unser Leben heute so krebsanfällig?
Umwelt und Nahrungskette weisen heute in vielen Teilen der Welt bereits erhebliche Giftmengen auf, die in den menschlichen Organismus gelangen, sich dort einnisten und zu gesundheitlichen Risiken führen. Denn Krebs ist eine moderne Krankheit, die vor allem auf Umwelteinflüsse wie Verschmutzung, Ernährung und Lebensstil zurückgeht. Das behaupten Forscher der Universität Manchester in der Fachzeitschrift Nature. Sie suchten in allen relevanten Quellen seit der Antike nach Hinweisen auf Krebs. Laut ihren Ergebnissen war die Krankheit früher extrem selten stieg erst seit 300 Jahren zur heute zweithäufigsten Todesursache in Industrieländern auf.
Die Studienleiterin Rosalie David, eine Ägyptologin, beschäftigt sich schon lange mit Untersuchungen von Mumien. Kürzlich zeigte sie, dass Priester im alten Ägypten häufig an beschädigten Arterien litten, was vielleicht eine Folge vieler ungesunder Festbankette war. Nun suchte sie in hunderten Mumien aus verschiedenen Erdteilen nach Tumor. Fündig wurde sie dabei nur selten. Außerdem überprüfte Davids Team Literatur aus Ägypten und Griechenland sowie medizinische Studien von Menschen und Tieren früherer Zeiten, wobei sie bis ins Zeitalter der Dinosaurier zurückgingen. Selbst in tierischen Fossilien oder bei nicht-menschlichen Primaten waren Hinweise sehr spärlich gesät.
Mit der industriellen Revolution stieg die Krankheitsrate massiv an, besonders auch Krebs im Kindesalter. Das widerlegt für die Forscher das Gegenargument, dass Menschen heute länger leben und deshalb eher Krebs bekommen. "Zudem lebten viele Ägypter und Griechen lange genug, um Arteriosklerose, Morbus Paget oder Osteoporose zu entwickeln", so David.
Dass Krebs auch in Zusammenhang zu Umwelteinflüssen steht, bestätigt auch Heinrich Kovar, wissenschaftlicher Direktor der St. Anna Kinderkrebsforschung. "Bei vielen Karzinomen erkranken Grenzgewebe zur Umwelt. Das ist etwa die Darmschleimhaut, die mit der Nahrung in Berührung kommt, die Lungenvesikel, auf die etwa Zigarettenrauch trifft, oder die Haut." Häufen sich über lange Zeiträume Mutationen an, die von diesen Einflüssen ausgelöst werden, steigt das Risiko, im Alter an Krebs zu erkranken. "Die heutige verschmutzte Stadtluft oder landwirtschaftliche Pestizide gab es früher nicht. Dennoch isst man schon lange geräuchertes Fleisch", so der Krebsforscher.
Und bezüglich Kinderkrebserkrankungen fügt Heinrich Kovar hinzu: "Einerseits sind Tumore bei Kindern hundertmal seltener als bei Erwachsenen, weshalb der statistische Hinweis auf das Altertum wenig Aussage liefert. Zudem änderte sich ihr Vorkommen im Zeitalter der modernen Medizin kaum - im Gegensatz zu jenem bei Erwachsenen." Krebs bei Kindern geht vor allem auf Mutationen der Erbmasse zurück, wofür die spontane Mutationshäufigkeit den Ausschlag gibt. "Krebs ist bei Kindern ein Lotteriespiel, während bei Erwachsenen Umwelteinflüsse das Risiko erhöhen", so Kovar.