fit und munter - HIV: Tägliche Tablette könnte Ansteckung praktisch verhindern

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HIV: Tägliche Tablette könnte Ansteckung praktisch verhindern

Eine neue Entwicklung in der Bekämpfung der Immunschwäche AIDS könnte dazu führen, dass die Ansteckungsgefahr praktisch auf Null reduziert werden könnte. Die tägliche Einnahme einer antiviralen Tablette macht diesen Fortschritt möglich.
In einer Studie, die in der letzten Ausgabe der Fachzeitschrift New England Journal of Medicine (NEJM) publiziert wurde, berichteten Forscher über Hunderte homosexueller Männer, denen eine Chemoprophylaxe verschrieben wurde und die dadurch eine 44 prozentige Verminderung der Ansteckungsgefahr für HIV hatten im Vergleich zur Placebo-Gruppe.

Wenn aber nur diejenigen in die Berechnung mit einbezogen wurden, bei denen die regelmässige Einnahme der Chemoprophylaxe mittels Blutspiegel nachgewiesen war, so konnte die Ansteckungsgefahr um mehr als 90% gesenkt werden. "Das ist ein sagenhaftes Resultat," so Dr. Anthony S. Fauci von den National Institutes of Health, die zusammen mit der Bill and Melinda Gates Foundation für die Finanzierung und Durchführung der Studie verantwortlich waren.

In die grossangelegte Studie mit den Namen iPrEx wurden beinahe 2"500 Männer aus sechs verschiedenen Staaten, den USA, Südafrika, Brasilien, Thailand, Ecuador und Peru, eingeschlossen.
Die Nachricht vom Erfolg der Studie ist die beste Neuigkeit in der AIDS-Forschung seit vielen Jahren. Dass das dafür verwendete Medikament, Truvada, eine Kombination aus Tenofovir und Emtricitabin, bereits in den meisten westlichen Ländern zugelassen ist, macht die Resultate der Studie noch erfreulicher.

Der Schutz, der durch Truvada ausgeübt wird, ist unter dem Namen "pre-exposure prophylaxis" oder "PreP" bekannt und ist vor allem auch für Männer geeignet, die beim Ausüben des Geschlechtsverkehrs kein Kondom benutzen können.

"Es ist eine Form von Schutz, die keine Einwilligung vom Partner verlangt," meint Phill Wilson, Präsident des Black AIDS Institute, "und das ist wichtig."

Da Truvada bereits in vielen Ländern erhältlich ist, geben es die Kliniker teilweise jetzt schon als Prophylaxe ab. Ob dies aber offizielle Politik wird, hängt von verschiedenen Faktoren ab und wird Grundsatzdiskussionen auf allen Ebenen auslösen. Ein solcher Prozess könnte noch Monate oder teilweise sogar Jahre in Anspruch nehmen.

Aus diesem Grund geht das Center for Disease Control and Prevention (CDC) davon aus, dass immer mehr Ärzte die Tablette präventiv verschreiben werden, jetzt wo die Studie publiziert wurde. Das CDC wird daher seine Empfehlungen in den nächsten Monaten überarbeiten und entsprechend ändern.

"Die Resultate sind sehr ermutigend," meint Dr. Fenton. "Es ist aber für homosexuelle Männer noch nicht der richtige Zeitpunkt, die Kondome wegzuwerfen."

Die Studie umfasste bislang nur homosexuelle Männer und nur das Produkt Truvada. Neue Studien werden zeigen müssen, ob die Resultate wiederholt werden können und ob auch heterosexuelle Männer undFrauen oder andere Risikogruppen vom prophylaktischen Nutzen der Killerkombination in Truvada profitieren. Ausserdem sollten weitere antivirale Medikamente in die Studien einbezogen werden.

Medizinisch gibt es allerdings keinen Grund an der Wirksamkeit von Truvada in anderen Risikogruppen zu zweifeln, da die Wirkstoffe das Virus im Blut und nicht organgebunden attackieren. Die mögliche Wirkung der situationsbezogenen Einnahme (beispielsweise vor dem Geschlechtsverkehr) sollte ebenfalls untersucht werden. Nicht zuletzt wären damit dramatische Kosteneinsparungen zu erzielen.

Obwohl die Tablette keine besonderen Nebenwirkungen gezeigt hat, gab es Männer, die sich über Schwindel und Kopfschmerzen beklagten.

Die grosse Frage bleibt in diesem Zusammenhang wer für die Therapiekosten aufkommen wird. In den USA kostet eine Jahresbehandlung mit Truvada 12"000 bis 14"000 Dollar. In einigen Entwicklungsstaaten sind die Kosten für die gleiche Therapie mit einem Generikum bei 40 Cents pro Pille. Dennoch lägen die jährlichen Vorsorgekosten bei mehreren Milliarden Dollar, rechnet man all die Afrikaner, Osteuropäer und Asiaten ein, die einer Risikogruppe angehören und von der PreP profitieren könnten und für die der Staat aufkommen müsste.

Ein kleiner Wermutstropfen verbleibt bei all der Euphorie. Was passiert mit dem Virus, wenn man Millionen von Personen die Therapie verabreicht? Einige Fachleute halten eine Beschleunigung evolutorischer Vorgänge für wahrscheinlich, was den Nutzen der Prophylaxe in wenigen Jahren deutlich schmälern würde.

Aufgrund der Studiendaten gibt es allerdings keinen Grund, von einem solch pessimistischen Szenario auszugehen. Keiner der 2"499 Studienteilnehmer entwickelte nämlich eine Resistenz gegen Tenofovir und nur drei bekamen eine Resistenz gegen Emtricitabin. Die Forscher glauben jedoch, dass bei allen dreien bereits zum Zeitpunkt des Studienbeginns eine Infektion vorlag, die aber so frisch war, dass sie durch den HIV-Test nicht herausgefiltert wurden.


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