Verspätete Zuweisungsbescheide der Kassenärztlichen Vereinigungen an Praxen sind nach einem Urteil des Sozialgerichts (SG) Marburg ungültig. Bei verspätetem Erlass gilt das Regelleistungsvolumen (RLV) des Vorquartals vorläufig fort, eine nachträgliche Korrektur ist nicht möglich.
Im Zuweisungsbescheid wird der Praxis ihre quartalsbezogene Obergrenze (RLV + QZV) im Hinblick auf das vertragsärztliche Honorar mitgeteilt. Nach § 87 b Absatz 5 SGB V hat diese Zuweisung einschließlich der Mitteilung der Leistungen, die außerhalb der Regelleistungsvolumina vergütet werden, spätestens vier Wochen vor Beginn der Geltungsdauer des Regelleistungsvolumens zu erfolgen. Die Zuweisungsbescheide für das Quartal 3/2010 mussten damit spätestens am 3. Juni 2010 erlassen werden.
Diese gesetzlich vorgegeben Fristen wurden von verschiedenen Kassenärztlichen Vereinigungen in Bezug auf einzelne Abrechnungsquartale nicht eingehalten. Insbesondere im Quartal 1/2009 und mit Einführung der QZV im Quartal 3/2010 wurden die Zuweisungsbescheide teilweise verspätet versandt.
Zahlreiche Praxen haben seit Einführung des RLV Widerspruch gegen die Zuweisungsbescheide eingelegt und diesen unter anderem mit der verspäteten Zuweisung des RLV bzw. der Obergrenze (RLV +/oder QZV) begründet. Das Sozialgericht (SG) Marburg hat – soweit ersichtlich – als erstes Gericht über diese Fragestellung entschieden und mit Beschluss vom 1. September 2010 (Az.: S 11 KA 604/10 ER) festgestellt, dass bei einem verspäteten Erlass des Zuweisungsbescheides das RLV des Vorquartals vorläufig fort gilt und eine nachträgliche Korrektur des gegebenenfalls zu hohen fort geltenden RLV nicht möglich ist.
Im konkreten Fall war der Zuweisungsbescheid für das Quartal 3/10 einer radiologischen Praxis am 18. Juni 2010 zugegangen. Diese hat im Wege der einstweiligen Anordnung beantragt, dass ihr ein RLV auf der Basis einer höheren Fallzahl zuerkannt wird und in diesem Zusammenhang auch den verspäteten Erlass des Zuweisungsbescheids gerügt.
Fazit: Dem einzelnen Arzt ist zu empfehlen, sich die quartalsbezogenen Zuweisungsbescheide genau anzusehen und insbesondere zu prüfen, ob die Zuweisung rechtzeitig erfolgt ist. Trifft dies nicht zu, ist der Zuweisungsbescheid bereits aus diesem Grund rechtswidrig. Durch Einlegung des Widerspruchs gegen den Zuweisungsbescheid kann der Arzt dann gegebenenfalls erreichen, dass ein etwaiger höherer Betrag aus dem Vorquartal fort gilt und er so mehr Honorar erhält. Das SG Marburg befand die Zuweisung des RLV für das Quartal 3/10 aufgrund des eindeutigen Wortlautes in § 87 Absatz 5 SGB V als rechtswidrig und urteilte, dass der Praxis mindestens der Betrag aus dem Quartal 2/10 zu Verfügung stehen müsse.