Kosmetik soll nicht nur reinigen, straffen, vitalisieren, pflegen, deodorieren, parfümieren und entspannen, sondern auch das Lebensgefühl steigern und soziales Prestige ausdrücken helfen. Ein hoher Anspruch, der leicht unerfüllt bleiben kann, wenn der Kunde das Gefühl hat, dass seine Erwartungen in einem dieser Bereiche nicht erfüllt werden. Wir sprachen mit Sylvia Bieber, Dipl. Mentaltrainerin und Coach, über die Möglichkeiten, aus Kundenreklamationen Chancen werden zu lassen.
Aus welchen Gründen wird reklamiert?
Da in den heutigen ganzheitlich geführten Kosmetikstudios nicht nur Gesicht- und Körperpflege angeboten werden, sondern gleichermaßen auch Hand- und Fußpflege, Nageldesign, verschiedenste Massagen bis hin zu Workshops und Seminare im Wellness-Bereich, ist es nicht verwunderlich, dass es immer mehr Reklamationsfelder gibt. Nach wie vor werden am häufigsten Produktunverträglichkeiten als Gründe von Reklamationen genannt. Dies besonders in Studios, die sich hauptsächlich auf Gesicht- und Körperpflege spezialisiert haben. Meist wünschen die Kunden dann eine kostenfreie Behandlung mit anderen Produkten oder den Umtausch der gekauften Ware. Im Nageldesignbereich wollen Kundinnen oft längere Auflagen, ohne mit diesen gut hantieren zu können. Dann ist eine Reklamation wegen eingerissener Nägel fast vorprogrammiert und der Wunsch nach komplett neuen Nägeln sehr nahe liegend. Bei den modernen Massagetechniken, wie z.B. Hot Stone oder ayurvedische Heißstempelmassagen, kommt es hin und wieder vor, dass die Auflagen zu heiß sind, die Kunden dementsprechend monieren und dafür länger massiert werden möchten. Auch Seminarteilnehmer finden Ihre Gründe zu reklamieren und gar Geld zurück zu verlangen. Wenn z.B. die Inhalte des Seminars nicht mit den Erwartungen, die aber meist nicht kommuniziert wurden, übereinstimmen.
Aber auch Stress, Frust oder Ärger, den der Kunde mitbringt, führt zu Reklamationen, die dann allerdings nicht gerechtfertigt sind. Da will einfach jemand Dampf ablassen. Der Krach mit dem Partner, der Ärger mit den Kindern, der Frust mit der Freundin oder auch die nicht erfolgte Gehaltserhöhung - all dies können Gründe sein, weshalb plötzlich die Wimpernwelle nichts taugt, das Make Up unmöglich aussieht oder die Enthaarung viel zu schmerzhaft ist.
Die Kosmetikerin kann froh sein, wenn ihr Kunde reklamiert, sich beschwert oder sogar Forderungen stellt, denn dann hat sie Handlungsmöglichkeiten. Oft ist es ja so, dass die Kunden sich insgeheim über etwas geärgert haben und trotzdem nicht in der Lage sind, darüber mit der Person zu sprechen, die es betrifft. Allerdings erfährt die Freundin, die Mutter, der Partner und viele andere mehr, ganz sicher von der Unzufriedenheit, so dass das Institut gleich in vielfacher Hinsicht Negativwerbung erhält.
Wie kann die Kosmetikerin Reklamationsgespräche souverän und professionell führen?
Jede Beschwerde kann ein willkommener Anlass sein, die Beziehung zum Kunden zu verbessern. Wer einen hervorragenden Kundenservice bieten möchte, muss von der Konflikt- zur Reklamations-Kultur finden, die eine außerordentlich enge und weit reichende Kundenbindung nach sich zieht. Hierzu gehören Mut und die Bereitschaft, die Beschwerde nicht nur zu hören, sondern sie als ersten Schritt zur Verbesserung der eigenen Dienstleistungen zu erkennen. "Wenn es ein Geheimnis für Erfolg gibt, so ist es dies: den Standpunkt des anderen verstehen und die Dinge mit seinen Augen sehen," sagte einst Henry Ford. Wenn die Kosmetikerin in der Lage ist, quasi durch die Brille des anderen zu sehen, dessen Gefühle und Bedürfnisse wahrzunehmen und gleichzeitig die eigenen Bedürfnisse zu kennen und zu äußern, wird es möglich, eine einfühlsame und respektvolle Verbindung herzustellen, mit der solche Konflikte zu lösen sind.
Beispiel: Schon während der Behandlung ist ersichtlich, dass die Kundin nervös ist. Da wippen die Füße, sie schaut öfters auf die Uhr, sie schluckt sehr häufig, die Atmung ist auch während der Gesichtsmassage schnell und unregelmäßig. In ihren Erzählungen schwingt unterschwellig Aggression mit. Beim Bezahlen sagt sie wie nebenbei: "Also heute war die Gesichtsmassage nicht so gut wie sonst, ich konnte gar nicht entspannen. Außerdem hat mir meine Nachbarin gesagt, dass die Ampulle im Institut XY viel preiswerter ist."
Was will die Kundin wirklich ausdrücken? Welches Bedürfnis hat sie? Welche Gefühle stehen im Vordergrund? Wie fühlt sich die Kosmetikerin? Welche Bedürfnisse hat sie? Wie könnte ein einfühlsames Gespräch diese Kundin (und auch die Kosmetikerin) zufrieden stellen? Nach Marshall B Rosenberg sind hierbei vier Schritte notwendig:
1. Beobachten ohne zu bewerten: Die Gesichtsmassage hat Ihnen heute nicht so gut gefallen wie sonst. Ich habe bemerkt, dass Sie öfters mit den Füßen gewippt haben und auch Ihre Atmung war nicht so ruhig, wie ich es von Ihnen kenne. Und obendrein ging Ihnen noch durch den Kopf, dass die Ampulle anderweitig günstiger sei, als bei mir.
2. Gefühle wahrnehmen und äußern: Das hört sich für mich so an, als wären Sie jetzt sehr enttäuscht und auch empört, stimmt's? Das berührt mich,...
3. Verantwortung für die Gefühle übernehmen und Bedürfnisse äußern: ...weil es mir nämlich sehr wichtig ist, dass meine Kunden zufrieden sind und dass das Preis-Leistungsverhältnis für Sie und für mich stimmt.
4. Bitte äußern: Deshalb bitte ich Sie, mir zu sagen, was Sie jetzt von mir erwarten.
Da die Kundin sich in Ihren Gefühlen verstanden fühlt und nun auch die Bedürfnisse der Kosmetikerin kennt, hat sie die Möglichkeit, all das zu äußern, was Sie wirklich will. Oft hört man dann Sätze wie: "Na ja, ich hatte kurz bevor ich kam Streit mit meiner Tochter, der ging mir während der ganzen Zeit nicht aus dem Kopf. Vielleicht konnte ich deshalb nicht richtig entspannen. Ich fühle mich ja sonst immer sehr wohl bei Ihnen."
Nun kann es aber auch sein, dass die dahin gemurmelte Äußerung der Kundin die Kosmetikerin so verärgert hat, dass sie Probleme hat, diese Empfindungen wieder loszuwerden. Jetzt gilt es, zu handeln, diese Stimmung muss abgebaut werden, denn die nächste Kundin kommt in fünf Minuten. Gut geeignet um schnell wieder in die Balance zu kommen, ist eine Atemübung, die mit einer mentalen Vorstellungsübung verbunden ist: Dafür einfach eine bequeme Sitzhaltung einnehmen, die Augen schließen und sich vorstellen, dass man an einem kleinen Bächlein sitzt. Die Sonne scheint, dass Wasser plätschert und die Luft riecht nach Natur. Dann tief diese Stimmung in den Bauch einatmen, so dass die Bauchdecke sich wölbt. Beim Ausatmen bewusst allen Ärger, allen Frust in den Bach ausatmen. Dieser nimmt ihn mit. Und immer wieder im Wechsel: gute Stimmung einatmen - Ärger ausatmen. Schon nach 2-3 Minuten ist die Laune wieder im Lot.
Eine einfühlsame und gewaltfreie Kommunikation und Übungen zum Stress- und Ärgerabbau sind nicht nur im Umgang mit Kunden hilfreich. Beides erleichtert das menschliche Miteinander enorm. Deshalb ist eine Investition in entsprechende Schulungen gut angelegtes Geld.