Beitrag für das Online-Debatten-Magazin "The European"
In Deutschland warten etwa 12.000 Menschen jedes Jahr auf ein Spenderorgan. Drei von Ihnen sterben pro Tag, weil es nicht ausreichend Organspender gibt. Die Warteliste ist lang. In einem Beitrag für das Online-Debatten-Magazin "The European" (www.theeuropean.de) spricht sich der Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Volker Kauder aus, neue Anstrengungen zu unternehmen, um zu mehr Organspenden zu kommen.
Mit der Bereitschaft für Organspenden kann jeder für seine Mitmenschen neue Lebens- und Heilungschancen schaffen. Das Ende der eigenen Existenz wird damit zu einem Neuanfang für andere. Die Organspende ist auch ganz im Sinne der christlichen Nächstenliebe ein Zeichen der Solidarität. Man gibt etwas für einen anderen. Entscheidungen für Organspenden machen unsere Gesellschaft damit auch ein Stück menschlicher und wärmer. Sie zeigen, dass unserer Gesellschaft nicht nur genommen, sondern auch gegeben wird.
Seit einiger Zeit gibt es eine Diskussion, wie wir zu mehr Spenderorganen kommen können. In Deutschland wird die sogenannte Einverständnislösung praktiziert. Sie beruht auf dem Gedanken, dass der Spender vor einer Organentnahme stets sein Einverständnis abgegeben haben muss. An diesen Grundgedanken muss weiter festgehalten werden, gleichzeitig ist er jedoch weiterzuentwickeln.
Manche denken bei uns sogar an die Einführung einer sogenannten Widerspruchslösung. Sie wird auch in einigen europäischen Ländern praktiziert. Ich lehne diesen Weg ab. Der Staat darf die Bürger nicht durch Gesetz zunächst zu einer Organspende zwingen, von der sich diese nur durch einen Widerspruch lösen können. Der Staat darf in dieser hochsensiblen und höchst persönlichen Frage niemanden zwingen oder drängen.
Der Staat kann aber den Bürger sehr wohl zu einer Entscheidung für oder gegen Organspende auffordern. Das ist ein großer Unterschied zur Widerspruchslösung. Diese Entscheidungslösung sieht vor, dass jeder Mensch einmal in seinem Leben, möglichst in jungen Jahren, mit der Frage der Organspende konfrontiert wird. Der Staat bittet den Bürger Stellung zu beziehen. Das kann beim Erwerb des Führerscheins geschehen oder auch bei der Ausstellung von Pass oder Personalausweis. Über die Einzelheiten kann und muss man noch reden. Zentral ist für mich: Die Entscheidung muss freiwillig bleiben.
Ich weiß, dass es bei dem Thema große Ängste und Vorbehalte in der Bevölkerung gibt. Diese sind aber unbegründet. Es kursieren zahlreiche Vorurteile. Die Sorge etwa, man bekäme weniger Hilfe, um zu überleben, wenn man Organspender sei, ist nicht zutreffend. Solche und ähnliche Ängste kommen teilweise daher, weil unsere Gesellschaft große Schwierigkeiten hat, sich mit dem Tod und mit allen damit zusammenhängenden Fragen zu befassen. Aber der Tod gehört nun einmal unabänderlich zum menschlichen Leben. Und für den Fall des eigenen Todes sollte man so viel wie möglich geregelt haben.
Wenn nicht entschieden wird, müssen die Angehörigen die Entscheidung fällen. Es ist für Angehörige, die sich ohnehin in so einer an sich schon belastenden Situation befinden, mitunter sehr schwierig herauszufinden, was wohl der Wille des Verstorbenen gewesen wäre.
Wichtig ist, dass die Bürger noch besser und breiter über Organspenden informiert werden. Organisationen wie Pro Organspende leisten hier schon Großartiges. Um die Zahl der Organspenden zu steigern, sollten wir auch versuchen, die Ärzte stärker als bisher in die Aufklärung mit einzubeziehen.
Im Deutschen Bundestag wird es darum gehen, das Transplantationsgesetz zu ergänzen. Dieser Gesetzgebungsbereich ist sicherlich eine Gewissensentscheidung für jeden Abgeordneten. Ich würde mir aber wünschen, dass wir Parlamentarier zu einer möglichst einhelligen Position kommen. Es wird daher Gespräche mit den anderen Fraktionen geben. Eine solche möglichst einstimmige Entscheidung würde auch helfen, den Ängsten der Menschen zu begegnen.
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