In der Bundesrepublik leiden in etwa vier Millionen Menschen pro Jahr zumindest temporär an Tinnitus. Für eine Million ist das ununterbrochene Piepsen, Rauschen, Fiepen oder Brummen ein psychisch und seelisch stark belastender Dauerzustand.
Die bisher angewandte Therapiemöglichkeiten -die Überdeckung des Geräuschs („Maskierung“) mittels Hörgeräten, Cortisonbehandlungen oder autogenes Entspannungstraining, die das Ignorieren des ständigen akustischen Begleiters fördern - bekämpften zwar das Symptom Tinnitus, aber nicht dessen Ursache.
In dem aktuellen Versuch wurde direkt auf die Mechanismen im Gehirn Einfluss genommen. Ausschlaggebend für den Erfolg war dabei die Stimulierung des sogenannten Vargusnervs, der ein Teil des vegetativen Nervensystems darstellt, und durch dessen Reizung eine Neustrukturierung der Neuronen in der Hörrinde des Gehirns hervorgerufen wurde.
Die Forscher gingen bei ihrem Versuchsaufbau von der Theorie aus, dass bei Tinnitus, die Nervenzellen übermäßig und mit bestimmten Frequenzen auf die Hörrinde „feuern“.
Bei der Untersuchung wurden die Versuchstiere pro Tag 300 Mal mit einem bestimmten Ton beschallt, während eine gleichzeitige Stimulierung des Vargusnervs erfolgte.
Nach drei Wochen stellten die Forscher fest, dass sich die Nervenzellen im Hörzentrum von der übermäßigen Befeuerung der Hörrinde in ihre ursprüngliche Struktur und zu ihrer gemäßigten Aktivität zurückgekehrt waren.
Die lästigen Ohrgeräusche verschwanden in der Folge für die Dauer von zwölf Wochen.
„Die veröffentlichten Ergebnisse sind ebenso spannend wie hoffnungsvoll“, meint auch die Berlin praktizierende HNO-Ärztin Dr. med. Jeannette Jungk.
„Sollte diese Methode auch bei Menschen erfolgreich angewendet werden, würde diese eine unglaubliche Erleichterung für eine große Anzahl von Betroffenen darstellen, zumal in dem Fall der Tinnitus nicht verborgen bzw. überspielt wird, sondern die auslösenden Faktoren nachhaltig und dauerhaft in ihren Normalzustand gebracht werden würden.“
Bereits in diesem Frühjahr will das US-Forscherteam eine weitere Studie der neuen Methode mit betroffenen Tinnitus-Patienten in Europa beginnen.