Streitthema Süßstoffe – Sicherer Zusatzstoff?
Beim Süßstoff streiten sich die Geister. Der kalorienfreie Zuckerersatz stehe im Verdacht, den Appetit zu steigern, krebserregend zu sein und aus reiner Chemie zu bestehen, sagen die einen. Solche Behauptungen seien „moderne Ernährungsmärchen", meint hingegen der Vorsitzende des Deutschen Kompetenzzentrums für Gesundheitsförderung und Diätetik, Sven-David Müller, Autor zahlreicher Ernährungsratgeber. „Über keinen Lebensmittelzusatzstoff gibt es so viele haltlose Mythen wie über Süßstoff", sagt Müller. Weil Süßungsmittel oft in der Kritik stehen, gehören sie zu den am besten untersuchten Substanzen. Schließlich werden sie laut Schätzungen täglich von mehr als einer Milliarde Menschen weltweit verwendet. Die Europäische Union hat neun Süßstoffe als unbedenklich eingestuft und zugelassen (siehe Kasten), die Weltgesundheitsorganisation versieht sie mit dem höchsten Unbedenklichkeitsstatus für Lebensmittel „GRAS" (generally recognized as safe).
Heißhunger-Theorie gilt als widerlegt
Andererseits hält sich hartnäckig die Ansicht, Süßstoff würde das Hungergefühl verstärken und damit jeden Abnehm-Effekt gleich wieder zunichte machen. Das vermuteten jedenfalls Wissenschaftler nach Studien in den 80er Jahren. Eine Theorie besagt, dass allein der süße Geschmack die Insulin-Ausschüttung anrege, wodurch zuviel Zucker im Blut abgebaut und der Hunger ausgelöst werde. Diese Ansichten sind jedoch durch viele Studien eindeutig widerlegt, sagt Prof. Andreas Pfeiffer vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung in Potsdam. Die Rezeptoren im Darm, die die Freisetzung von Insulin stimulieren, wurden nur durch richtigen Zucker angeregt, nicht durch Ersatzstoffe.
Aber taugt Süßstoff tatsächlich auch zum Abnehmen? Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung rechnet vor, dass ein konsequenter Einsatz für einen Gewichtsverlust von etwa 200 Gramm pro Woche sorgen kann - das wären immerhin gut zehn Kilo jährlich. Doch wer sich weiter Buttercremetorte bestelle und Süßstoff als Alibi für weitere Fehlernährung nutze, werde natürlich nicht abnehmen, schränkt Ernährungsexperte Pfeiffer ein. „Süßstoffe haben keine pharmakologische Wirkung, die das Körpergewicht senkt oder erhöht." Süßstoffkonsum stehe also nicht im Zusammenhang mit dem Körpergewicht.
Süßstoffe und E-Nummern
Manche gesundheitsbewussten Verbraucher schrecken auch deswegen vor Zusatzstoffen zurück, weil diese ggf. mit einer „E-Nummer“ auf der Verpackung gekennzeichnet sind. Zu bedenken ist hier, dass beispielsweise auch zugefügte Vitamine E-Nummern bekommen.
Außerdem sind etwa die Hälfte der Süßstoffe Naturprodukte. Thaumatin etwa wird aus der in Afrika beheimateten Frucht Katemfe gewonnen, „Neohesperidin-Dihydrochalcon“ aus den Schalen von Bitterorangen. Auch der synthetisch erzeugte Süßstoff Aspartam erwies sich nach etlichen Untersuchungen der Deutschen Forschungsgemeinschaft als unbedenklich. Auch ein Zusammenhang zu bestimmten Krankheitsbildern konnte in keinem einzigen Fall bestätigt werden.
Süßstoffe und Zahngesundheit
Auch das Kauen von Kaugummis – vor allem nach dem Essen – gilt als vorteilhaft für die Zahngesundheit, weil das Kauen Essensreste entfernt und den pH Wert im Mund zu erhalten hilft. Doch sollte man beim Kauf darauf achten, dass es Kaugummis ohne Zuckerzusatz sind. Auf den Packungen von Kaugummis, die zahnfreundlichen Süßstoff verwenden, ist folgendes Zeichen abgebildet:
Der entsprechende Test zur Bestätigung der Zahnfreundlichkeit wird an einem dafür qualifizierten Universitätsinstitut durchgeführt. Er gilt als bestanden, wenn die Süßwaren während und bis 30 Minuten nach dem Verzehr im Zahnbelag keinen pH-Abfall unter 5,7 verursacht haben. Die Zahnmännchen-Süßigkeiten enthalten keinen Zucker, sondern Ersatz- und Austauschstoffe, dazu wenig Frucht- oder andere Säuren, die Zähne schädigen können.
Aber Achtung: Allzu viel sollte man davon nicht genießen. Sonst kann es – je nach Empfindlichkeit – zu Blähungen oder sogar Durchfallerscheinungen kommen. Noch besser: Lassen Sie es bei den normalen Süßigkeiten, aber nicht über den ganzen Tag verteilt; und nach dem Genuss konsequent Zähne putzen.
Fazit:
Auch wenn der Mensch als Organismus genetisch weitgehend unverändert geblieben ist und damit eine Kost mit natürlichen Lebensmitteln jederzeit zu bevorzugen ist, ist der Umkehrschluss, dass technologische Errungenschaften auf dem Gebiet der Ernährung primär der Industrie nutzen und dem Menschen zum Nachteil seien, nicht haltbar. Süßstoffe können - gezielt eingesetzt - sehr dienlich sein für die Zahngesundheit und zum Gewichtserhalt –v.a. in der heutigen Lebensmittelkultur, die sich immer noch durch übermäßigen und oft verdeckten Einsatz von Zucker, Zuckersirupen usw. auszeichnet. Denn wussten Sie, dass z.B. in 500 ml Ketchup 40 Stück Zucker (entspricht etwa ¼ der Menge an Ketchup) enthalten sind?