Es ist nicht mehr von der Hand zu weisen, dass der so genannte chronische Botulismus bei Tieren, insbesondere bei Rindern, existent ist. Diese Problematik wird auch nun vom BMELV aufgegriffen, um mittels bereitgestellter Gelder, die aktuell zur Verfügung gestellt wurden, die Diagnostik und die epidemiologischen Zusammenhänge dieses diffusen Krankheitsbildes, an dem Clostridium botulinum vielleicht beteiligt ist, zu klären.
„Das Krankheitsbild des chronischen Botulismus sei sehr heterogen und damit als einheitliches Krankheitsbild nicht wissenschaftlich definiert“, so Dr. Gerd Müller, parlamentarischer Staatssekretär auf Anfrage zur Problematik von Tierarzt und MdB Dr. Wilhelm Priesmeier Ende März 2011.
Dr. Priesmeier fragt weiter, welche Erkenntnisse dem BEMELV vorlägen, in welchem Ausmaß die Verbreitung von Botulismus auf Grün- und Ackerland durch die Ausbringung von Gärresten aus Biogasanlagen erfolge, und welche konkreten Maßnahmen vom BMELV ergriffen werden, um die Verbreitung von Botulismus durch die Ausbringung von Gärresten aus Biogasanlagen zu unterbinden?
Hier kommt aus dem BEMELV die Antwort, dass „der Bundesregierung keine Informationen über das Ausmaß der Verbreitung von Botulismus durch Gärreste auf Grün- und Ackerland vorliegen“, antwortet Dr. Gerd Müller. „Die Anforderungen an die Herstellung von Gärresten aus tierischen Nebenprodukten in Biogasanlagen sind gemeinschaftsrechtlich festgelegt. Sie stützen sich auf wissenschaftliche Stellungnahmen der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit, so Dr. Müller weiter.“
Natürlich erfüllt die Klinik des chronischen Botulismus nicht die Vorraussetzungen für eine Tierseuche im Sinne des §1 Absatz 2 Nummer 1 des Tierseuchengesetzes. Es besteht damit für das Ministerium wohl keine Notwendigkeit, diese schleichende Erkrankung als „meldepflichtige Erkrankung“ zu qualifizieren. Damit wird auch nicht die Notwendigkeit einer großräumigen und deutschlandweiten Erfassung gesehen.
Dr. Müller führt weiter in seiner Antwort vom 7. April 2011 aus, dass „Mangels entsprechender wissenschaftlicher Erkenntnisse bisher weder von einer Übertragbarkeit zwischen Tieren oder von Tieren auf Menschen durch den Umgang mit erkrankten Tieren oder den Verzehr von Erzeugnissen erkrankter Tiere ausgegangen werden kann, noch davon, dass der Erreger eine Tendenz zur Massenverbreitung hat“. Er schließt also die Möglichkeit einer Zoonose von vorne herein aus.
Trotz der Veröffentlichung des Neurologen Dr. Dirk Dressler zum chronischen Botulismus beim Menschen (z.B. Fortschr. Neurol. Psychiat. 2009; 77 (Suppl. 1): S49–S54; versch. Tagungsbände der Agrar- und Veterinär- Akademie (AVA) 2010/2011; NUTZTIERPRAXIS AKTUELL (NPA) Sonderausgabe März 2010, u.a.) mit dem Hinweis auf eine mögliche Zoonose, ignoriert das Ministerium die nachgewiesene Erkrankung beim Menschen. Aus der Praxis kommen aber immer mehr Fälle von chronischem Botulismus bei Landwirten und Tierärzten zutage. Mittlerweile häufen sich sehr stark auch Verdachtsmomente, dass in Bayern eine Vielzahl von Hunden und auch einige Tierbesitzer unter der Erkrankung des chronischen Botulismus leiden, wie eindeutig in Laboren nachgewiesen wurde. Kommt hier etwas Schreckliches auf uns zu?
Zoonose oder nicht: Allein der Verdacht auf eine Zoonose, die Prof. Dressler sieht, greift die Zoonosenverordnung und auch das Infektionsschutzgesetz. Es besteht damit dringender Handlungsbedarf.
Warum tritt nun diese Erkrankung des chronischen Botulismus mehr und mehr auf?
Und auch MdB Dr. Priesmeier fragt, „welche konkreten Forschungsvorhaben es im Ressortbereich des BMELV im Gesamtkomplex „Botulismus in der Landwirtschaft – Auswirkungen und Risiken auf die Umwelt – Gefährdungspotential durch das Ausbringen der Reststoffe der Biogasgewinnung auf Grün- und Ackerland, gibt?“. Hier antwortet der parlamentarischen Staatssekretär Dr. Müller, dass es momentan zu dieser Fragestellung keine Forschungsvorhaben im BMELV gäbe.
Auch der MDR veröffentlichte einen Bericht im Fernsehen (Nachrichtenmagazin EXAKT) zur momentanen Problematik des chronischen Botulismus in Sachsen. Der MDR fragt in seiner Sendung am 18.4: Fleisch kranker Tiere – was landet auf unseren Tellern? Erstmals wurden am Schlachthof Erlangen Tiere zurückgewiesen, die mit Verdacht auf chronischen Botulismus geschlachtet werden sollten. Nach Ansicht der sächsischen Sozialministerin Ministerin Clauß soll Botulismus eine meldepflichtige Tierkrankheit werden. Kann über chronisch erkrankte Tiere in der Lebensmittelkette eine Infektion beim Menschen möglich sein? An chronischem Botulismus erkrankte Tiere dürfen nach Diagnosestellung Botulismus nicht mehr zur Lebensmittelgewinnung genutzt werden - dieses gilt sowohl für Schlachtung als auch für die Milchgewinnung.
Was muss eigentlich noch alles geschehen, damit man das Krankheitsbild des chronischen Botulismus bei Tier und Mensch ernst nimmt? So Gründer und Leiter der AVA, Ernst-Günther Hellwig, Fachtierarzt und Diplomagraringenieur.
Aus Sicht nicht nur der Agrar- und Veterinär- Akademie (AVA), besteht dringender Handlungsbedarf, um mittels gezielter Forschungen Antworten auf die vielen Fragen zu bekommen.
Momentan hat man den Eindruck, dass es besser ist, nicht zuviel zu wissen. Warum wohl????
Ernst-Günther Hellwig
Agrar- und Veterinär- Akademie (AVA)
Dorfstrasse 5
48612 Horstmar