Textile Heizelemente verhindern Auskühlen der Patienten im OP-Saal BÖNNIGHEIM (dd) Tagtäglich werden tausende Menschen in deutschen Krankenhäusern auf mögliche Risiken bei bevorstehenden Operationen hingewiesen. Dabei wird eine Gefahr oftmals nicht erwähnt: gerade bei längeren Eingriffen kann es zu einer ernsthaften Unterkühlung (Hypothermie) des Patienten kommen. Durch die Anästhesie wird der Stoffwechsel und damit die Wärmeproduktion des Körpers gedrosselt. In den meist auf 1822 °C klimatisierten OP-Sälen verlieren die Patienten zudem viel Körperwärme.
Zur Lösung dieses Problems entstand am Institut für Hygiene und Biotechnologie an den Hohenstein Instituten in Bönnigheim die Idee eines textilen Wärmesystems, welches Patienten vor, während und nach einer Operation einfach und sicher warm hält. In einem Forschungsprojekt (ZIM, KF 2136701HG8) wurde unter der Projektleitung von Dr. Anja Gerhardts in Kooperation mit der roma-Strickstoff-Fabrik Rolf Mayer GmbH Co. KG aus Balingen die Idee nun zu einem fertigen Produkt weitergeführt. Die Heizelemente bestehen aus einem strom- und wärmeleitfähigen Garn, dass in einen Rundstrickstoff eingestrickt ist.
Dieses Garn erwärmt sich und das umhüllende Textil. Insgesamt besteht das System aus sechs Modulen, je ein Modul für Brust und Bauch sowie jeweils zwei für Arme und Beine.
Untersuchungen haben ergeben, dass Patienten durch Konvektion über die Haut am meisten Wärme verlieren. Aus diesem Grund sind Wärmedecken z.B. einer beheizten Unterlage bei der Hypothermieprävention überlegen. Vorgewärmte Tücher ohne eigene Wärmequelle kühlen jedoch schnell wieder ab, dicke unhandliche Heiz- oder Warmluftmatten können die Operateure behindern. Bei der Wärmezufuhr über Radiatoren geht viel Energie an die Umwelt verloren. Das neu entwickelte textile Wärmesystem ist kaum dicker als ein OP-Abdecktuch und entsprechend platzsparend. Die Anschmiegsamkeit des Textils und die modulare Anpassung an die Körperform minimieren zudem Wärmeverluste an die Umgebung. Das System ist für die perioperative Behandlung, d. h. vor, während und nach der Operation, ausgelegt. Das Wärmesystem kann den Patienten bereits vor der Narkose angelegt werden, der modulare Aufbau ermöglicht ein Entfernen der im Operationsfeld liegenden Teile für die Operation. Die restlichen Module verbleiben bis nach dem Aufwachen am Patienten. Durch die großflächige Abdeckung und die längere Verweildauer des Produktes am Patienten hat diese Vorgehensweise den höchstmöglichen Wirkungsgrad. Zudem wirkt das frühzeitige Anlegen der Module dem raschen Temperaturabfall durch die Wärmeumverteilung vom Körperkern in die Peripherie bei der Narkose bereits im Vorfeld entgegen.
Das System zur Hypothermieprävention besteht aus einer Außenhülle und den innenliegenden textilen Heizelementen. Die Außenhüllen sind abnehmbar, sie können über desinfizierende Waschverfahren wieder aufbereitet werden. Die textilen Heizelemente können ebenfalls sterilisiert und somit wiederverwendet werden. Das Wärmesystem erfüllt die Anforderungen an die Hygienerichtlinien für OP-Textilien. Ein weiterer Vorteil der textilen Heizelemente ist eine schnelle Erwärmung, innerhalb von drei Minuten erreichen die Heizelemente die Höchsttemperatur von ca. 38 °C. Danach schaltet sich das über einen Temperaturfühler geregelte Netzgerät ab. Wird die vorprogrammierte Minimaltemperatur erreicht, heizen sich die Elemente automatisch wieder auf. Die menschliche Hauttemperatur liegt durchschnittlich nur bei 31-32 °C, durch den höheren Wärmebereich kühlen die Patienten jedoch nicht aus und die Körperkerntemperatur wird konstant gehalten.
Die Gefahren der Hypothermie
Im Normalfall liegt die Temperatur im Körperinneren bei 37 °C. Bereits ab 36 °C tritt ein Kältegefühl und Kältezittern (Shivering) ein. Sinkt die Körperkerntemperatur unter 35 °C spricht man von einer Hypothermie.
Die Wärmeverluste entstehen durch Radiation (Wärmeabstrahlung des menschlichen Körpers), Konduktion (Wärmeabgabe an kältere Feststoff oder Flüssigkeiten), Konvektion (Wärmeabgabe an die Umgebungsluft; wird durch Wind/ Luftzirkulation verstärkt), Respiration (Verlust von Wärme durch das Ausatmen erwärmter Luft) und Perspiration (Verdunstungskälte auf der Haut, z.B. Schweiß). Im Normalzustand (intakte Thermoregulation) gibt der Körper gerade soviel Wärme ab, wie er produziert. Bei einer Narkose wird jedoch der Hypothalamus, das Temperaturregulationszentrum des menschlichen Körpers, gedämpft, damit ist eine funktionierende Thermoregulation des Körpers ist nicht mehr gewährleistet. Zudem wird das Muskelzittern, das dem Körper zur Erzeugung zusätzlicher Wärme dient, durch Sedativa oder Neuroleptika unterdrückt - der Patient kann den Wärmeverlust nicht mehr aktiv ausgleichen.
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