berg - Über 80 Prozent der Kneipen und Bars und mehr als 90 Prozent der Spielhallen sind nach wie vor verqualmt. Das ist das alarmierende Ergebnis einer aktuellen Studie aus dem Deutschen Krebsforschungszentrum zum Nichtraucherschutz in zehn ausgewählten Bundesländern.
Im Februar und März 2011 untersuchten Dr. Martina Pötschke-Langer und Ute Mons gemeinsam mit dem Evaluationsteam im Deutschen Krebsforschungszentrum sämtliche Gaststätten im Innenstadtbereich der Landeshauptstädte Düsseldorf, Hannover, Kiel, Mainz, Magdeburg, Schwerin, Stuttgart und Wiesbaden. In den Metropolen Berlin und München wurden darüber hinaus zwei weitere Stadtbezirke mit hoher Kneipendichte analysiert. Insgesamt liegen Daten über 2.939 gastronomische Betriebe vor. Es handelt sich damit um die bundesweit größte Evaluationsstudie seit Einführung der Landesgesetze zum Nichtraucherschutz.
Wichtigstes Ergebnis: In der getränkegeprägten Gastronomie sind auch heute noch vier von fünf Betrieben verraucht. Von einer Wahlfreiheit für Nichtraucher kann bei Bars und Kneipen keine Rede sein. Wer abends ein Bier trinken möchte, muss vielerorts lange suchen, wenn er nicht zum Passivrauchen gezwungen werden will. Dasselbe trifft auf Spielhallen zu. In Sachen Nichtraucherschutz ist Düsseldorf das Schlusslicht unter den untersuchten Landeshauptstädten: Hier gibt es nicht nur die meisten Raucherkneipen, sondern auch die meisten Verstöße gegen die Kennzeichnungspflicht von Raucherkneipen. Den besten Gesundheitsschutz bietet München, wo im August 2010 ein generelles Rauchverbot im Gastgewerbe in Kraft getreten ist. Doch auch hier machen immerhin 17 Prozent der Getränkegaststätten von der einzigen verbliebenen Ausnahmeregelung ? der Raucherlaubnis bei geschlossenen Gesellschaften ? Gebrauch.
Festzuhalten bleibt: die Vielzahl und Komplexität der aktuell bestehenden Ausnahmeregelungen hat gravierende Vollzugsprobleme zur Folge. So waren 8 Prozent aller untersuchten Restaurants faktisch Rauchergaststätten, was einen klaren Verstoß gegen die geltenden Landesgesetze darstellt. Von den Raucherkneipen verfügten 13 Prozent über mehrere Räume, obwohl es sich laut Gesetz um Einraumkneipen handeln muss. Als Skandal ist die Situation im Hinblick auf den Jugendschutz zu werten: Bei 62 Prozent der Rauchergaststätten fehlte im Eingangsbereich der an sich obligatorische Hinweis "Zutritt erst ab 18 Jahren".
Das Deutsche Krebsforschungszentrum weist nochmals auf die außerordentlich hohen Schadstoffbelastungen durch Tabakrauch in Rauchergaststätten und Raucherräumen hin, was aus einer weiteren, ebenfalls bundesweit durchgeführten Studie aus dem Jahr 2009 ersichtlich wurde. Messungen von lungengängigen Partikeln in der Raumluft von Gastronomiebetrieben mit und ohne Nichtraucherschutz ergaben eine fünf- bis elffach höhere Schadstoffbelastung in Gaststätten, in denen im gesamten Betrieb oder in Raucherräumen geraucht werden darf. Aus Sicht des Nichtraucherschutzes besonders kritisch: In Gaststätten mit Raucherräumen ist die Schadstoffbelastung selbst in Nichtraucherbereichen messbar erhöht, da der Rauch aus dem Raucherraum in die angrenzenden Räume vordringt.
Die Ausnahmeregelungen zum Nichtraucherschutz sind weder praktikabel noch effektiv: Sie dürfen in den meisten Bundesländern als gescheitert angesehen werden. Deutschland benötigt dringend eine einfache, umfassende und einheitliche Regelung zum Nichtraucherschutz in der Gastronomie, so wie sie bereits in vielen anderen EU-Ländern mit Erfolg eingeführt worden ist.
Die beiden Veröffentlichungen können im Internet wie folgt abgerufen werden:
Hohe Schadstoffbelastungen in Raucherkneipen und Raucherräumen durch Tabakrauch
http://www.dkfz.de
Nichtraucherschutz in der deutschen Gastronomie: Eine aktuelle Bestandsaufnahme in zehn Bundesländern
http://www.dkfz.de
Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) ist mit mehr als 2.500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die größte biomedizinische Forschungseinrichtung in Deutschland. Über 1000 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erforschen im DKFZ, wie Krebs entsteht, erfassen Krebsrisikofaktoren und suchen nach neuen Strategien, die verhindern, dass Menschen an Krebs erkranken. Sie entwickeln neue Ansätze, mit denen Tumoren präziser diagnostiziert und Krebspatienten erfolgreicher behandelt werden können. Daneben klären die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Krebsinformationsdienstes (KID) Betroffene, Angehörige und interessierte Bürger über die Volkskrankheit Krebs auf. Das Zentrum wird zu 90 Prozent vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und zu 10 Prozent vom Land Baden-Württemberg finanziert und ist Mitglied in der Helmholtz-Gemeinschaft deutscher Forschungszentren.
Diese Pressemitteilung ist abrufbar unter http://www.dkfz.de
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