KÖLN/ESSEN. Die Zahl der Mädchen und Jungen, die an chronischen Erkrankungen leiden, nimmt von Jahr zu Jahr zu. Kinder bewegen sich weniger an der frischer Luft als früher und gehen seltener zu Fuß zur Schule. Zugleich haben sich die Ernährungsgewohnheiten verschlechtert und psychische Belastungen erhöht. Aber wie beurteilen Kinder selbst ihre Gesundheit? Und welche Ansatzpunkte gibt es, um ihr Gesundheitsbewusstsein zu schärfen? Das will die „Elefanten-Kindergesundheitsstudie 2011/2012“ in Kooperation mit dem Deutschen Kinderschutzbund (DKSB) herausfinden. Für die größte Studie dieser Art werden 8.000 Kinder zwischen 7 und 9 Jahren aus einer für Deutschland repräsentativen Stichprobe befragt.
Pommes, Pizza, Chips und Gummibärchen als Lieblingsspeisen, Freizeit vor dem TV, PC oder an der Spielkonsole – wer über Kindergesundheit nachdenkt, hat schnell Klischees im Kopf. Aber sind es wirklich die Kinder, die Fast Food mit zu viel Fett und Süßigkeiten mit zu viel Zucker gesünderen Lebensmitteln vorziehen? Wird ihr Wissen über Gesundheit stärker von Eltern und Schule oder von der Werbung beeinflusst? „Kinder sind Experten in eigener Sache: Sie wissen am besten, was ihnen gut tut, wenn es um Ernährung, Bewegung und Entspannung geht“, erläutert Anja Beisenkamp, Leiterin des PROKIDS-Instituts für Sozialforschung, die Philosophie der neuen, wissenschaftlich unabhängigen Studie, die für die gesamte Bundesrepublik repräsentativ sein wird.
DKSB: Ergebnisse von höchster Bedeutung für die Gesellschaft
„Die Elefanten-Kinderstudie wird ein einzigartiges Bild von der Situation der Kindergesundheit in Deutschland zeichnen – denn erstmals erfahren wir von sehr jungen Kindern selbst, wie sie Gesundheit erleben“, erklärt Friedhelm Güthoff, Sprecher des Deutschen Kinderschutzbundes (DKSB). „Eltern, Familie, Erzieher, Lehrer, Sportvereine, Jugendarbeit und Politik können von den Ergebnissen lernen, wo wir ansetzen müssen, um Kindern einen gesundheitsorientierten Lebensstil zu ermöglichen.“
Aufwändigste Kinderstudie mit den jüngsten Befragten
Die Elefanten-Kinderstudie 2011/2012 ist eine der drei großen Kinder-befragungen in Deutschland – und mit den jüngsten und meisten Befragten ist sie auch die aufwändigste Untersuchung. Ermöglicht wird die Studie des auf Kindheitsforschung spezialisierten PROKIDS-Instituts durch den Stifter Elefanten: „Das Engagement für Kindergesundheit gehört seit Jahrzehnten zum Kern der Marke Elefanten. Deshalb haben wir gerne zugesagt, als wir gefragt wurden, ob wir diese Studie unterstützen wollen“, erklärt Ulrich Effing, Sprecher des Stifters Elefanten Schuhe.
Gesundheit der Kinder ist keine Selbstverständlichkeit mehr
Aus Sicht des Deutschen Kinderschutzbundes ist die Gesundheit der Kinder in Deutschland heute nicht mehr selbstverständlich. Entsprechende Initiativen für Kindergesundheit müssten deshalb so früh wie möglich ansetzen. Vor allem im Bereich der Ernährung: „Die Muster für unser Essverhalten werden in der frühesten Kindheit geprägt und sind später nur äußerst schwer zu ändern“, erläutert Dr. med. Detlev Geiß, Ernährungsexperte des Berufs-verbandes der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ). „Leider werden viele Kinder durch massive Werbung und vorgelebte Fehlernährung so stark beeinflusst, dass manche ein Leben lang gegen ihre Gewohnheiten ankämpfen müssen.“ Angesichts der Masse von Erkrankungen als Folge von Übergewicht in jungen Jahren werde künftig die Finanzierbarkeit des Gesundheitssystems gefährdet: „Hier rollt ein Tsunami auf unser Gesundheitswesen zu“, so Geiß. Von der Elefanten-Kinderstudie erhofft sich der Mediziner neue Impulse, um Kinder an gesunde Lebensmittel heranzuführen und die Gesellschaft für die Brisanz des Ernährungsproblems zu sensibilisieren.
Bewegungsförderung an Bedürfnissen der Kinder orientieren
Der Landessportbund NRW und seine Sportjugend treten couragiert für eine Kinderwelt als Bewegungswelt ein, ohne die eine Gesellschaft nicht zukunftsfähig sei. In seinem aktuellen Programm „NRW bewegt seine Kinder“ setzt er sich weiter als Anwalt und Bildungspartner für alle Kinder ein, damit sie Bewegung, Spiel und Sport in ausreichendem Umfang für ihre Lebensbildung und für ihr gesundheitliches Aufwachsen erfahren. Jede kindgerechte Bewegungsförderung muss sich immer auch an den Bedürfnissen der Jungen und Mädchen orientieren: „Um Kinder zu verstehen, muss man wissen, was sie bewegt. Darum müssen wir Erwachsenen ihnen achtsamer zuhören und zusehen. Die Elefanten-Kinderstudie wird mithelfen, die Augen und Ohren für Mögliches und Machbares zu öffnen“, so Dr. Klaus Balster, stellvertretender Vorsitzender der Sportjugend im Landessportbund NRW.
Kindergesundheit hat eine soziale Dimension
Für den Deutschen Kinderschutzbund hat Kindergesundheit zudem eine soziale Dimension. Friedhelm Güthoff: „Wir wissen, dass Kinder aus Familien mit wenig Geld Defizite im Hinblick auf ihre Gesundheit schlechter kompensieren können. Wenn immer mehr Schwimmbäder und Sportanlagen schließen und Freiflächen vernichtet werden, werden diese Kinder stärker benachteiligt.“ Vor allem so genannte Kinder-Lebensmittel hält Güthoff für gefährlich. Bei der Ernährung werde die soziale Kluft deutlich sichtbar, berichtet auch Dr. Detlev Geiß: zwischen Kindern, die mit wohlüberlegt zusammengestellter Bio-Kost aufwachsen, und anderen, deren Essverhalten von Fertigprodukten, Fast Food und Süßigkeiten dominiert wird. „Umso wichtiger ist es, dass die Politik bessere Bedingungen für die Versorgung aller Kinder schafft“, so der Kinderarzt, der seit 30 Jahren im sozialen Brennpunkt Kölner-Chorweiler tätig ist.
Kindern eine Stimme geben: Ergebnisse in Politik und Gesellschaft tragen
Erste Ergebnisse der Elefanten-Kindergesundheitsstudie werden im Dezember 2011 präsentiert; der Abschlussbericht soll im Sommer 2012 in Berlin folgen. „Kindern eine Stimme geben – das können wir mit dieser Studie erreichen. Die Politik muss unmittelbar in die Lage versetzt werden zu verstehen, was Kinder wollen und wünschen – gerade in Bezug auf das Thema Gesundheit“, erklärt Friedhelm Güthoff vom DKSB. „Es muss zum guten Ton einer Gesellschaft gehören, Kindermeinungen als selbstverständlich anzuhören, wenn es um Kinderbelange geht“, fordert die Diplom-Psychologin Anja Beisenkamp vom PROKIDS-Institut für Sozialforschung.