Mannheim, 31. Mai 2011. Bei der 37. Jahrestagung der Gesellschaft für Neonatologie und pädiatrische Intensivmedizin (GNPI) stand Mannheim drei Tage lang im Zeichen der Behandlung von Neugeborenen. Vom 26. bis 28. Mai 2011 waren über 1.800 Ärzte und Pfleger aus aller Welt zu Gast im Congress Center Rosengarten, um sich über die neuesten Entwicklungen auf ihrem Fachgebiet zu informieren. Nach 17 Jahren kehrte der Kongress damit in die Quadratestadt zurück. Zu den Erkenntnissen, die schon bald in die Praxis umgesetzt werden können, zählt auch ein revolutionäres neues Verfahren zur Behandlung von Netzhauterkrankungen.
Deutlich mehr Teilnehmer als angenommen, anregende Diskussionen und viele neue Erkentnisse - die 37. Jahrestagung der Gesellschaft für Neonatologie und pädiatrische Intensivmedizin (GNPI) übertraf die hohen Erwartungen von Veranstalter und Fachpublikum. Mehr als 1.800 Neonatologen, pädiatrische Intensivmediziner und Pflegekräfte konnten sich bei einem umfangreichen wissenschaftlichen Programm mit über 100 Vorträgen zu allen wichtigen Aspekten der Fachdisziplin austauschen. Eine rein akademische Diskussion im sprichwörtlichen Elfenbeinturm suchten die Neonatologen und Intensivmediziner dabei nicht, wie Professor Dr. Walter Kachel, Direktor der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin in Heilbronn, betont: "Uns geht es um darum, die Ergebnisse in kurzer Zeit in den klinischen Alltag zu übertragen. Sie sollen schnell zu einer wesentlichen Verbesserung der Behandlungsqualität führen."
Wichtig war den Kongresspräsidenten Professor Kachel und Dr. Thomas Schaible von der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin der Universitätsmedizin Mannheim auch, die Pflegekräfte in den wissenschaftlichen Austausch mit einzubeziehen. "Intensivmediziner sind Teamworker und ein wesentlicher Bestandteil der Teams sind die Pflegekräfte", erklärt Prof. Kachel. "Es war eine der wesentlichen Aufgaben unseres Kongresses, den Schwestern und Pflegern im Rahmen von Workshops den aktuellen Kenntnisstand unseres Fachgebiets zu vermitteln."
Wissenstransfer wichtig für junge Disziplin
Gerade in relativ jungen Fachdisziplinen wie der Neonatologie ist ein regelmäßiger Austausch auf Kongressen wichtig. "Erst im Laufe der letzten zehn Jahre haben sich etablierte Behandlungsstandards ergeben. Dazu kommen ständig neue Erkentnisse, so dass die Halbwertszeit selbst für diese Standards kaum fünf Jahre überdauert", so Kachel. Beim diesjährigen Kongress wurde eine ganze Reihe neuer Studien vorgestellt, die für die Behandlung neugeborener Babys einen echten Fortschritt bedeuten. So präsentierten britische und deutsche Forscher den Einsatz von Xenon in Verbindung mit Hypothermie, also einer gezielten Unterkühlung. Die Hypothermie wird bei Neugeborenen zur Verminderung oder Vermeidung einer perinatalen Schädigung des Gehirns, bedingt durch Sauerstoff- und Durchblutungsmangel, eingesetzt, sie trägt also dazu bei, das Absterben von Nervenzellen zu verhindern. Mittels des Edelgases Xenon kann die Effizienz dieser Methode erheblich gesteigert werden, wie die Neonatologen aus Bristol, Swansea und Düsseldorf in ihrer Studie feststellten.
Auch auf dem Gebiet der Retinopathie, der typischen Netzhauterkrankung von Frühgeborenen, die im Extremfall bis zur Erblindung führen kann, gab es wesentliche Neuerungen. So berichtete Prof. Helen Mintz-Hittner aus Houston, Texas, dass sich durch eine neuartige Antikörpertherapie, die gegen pathologisches Gefäßwachstum im Auge gerichtet ist, vielfach bessere Ergebnisse erzielen lassen als mit dem bisher üblichen Laserverfahren. "Durch sie wird der mit Laser unvermeidliche Visusverlust verhindert, die Netzhaut kann sich zur völligen Normalität entwickeln", erläutert Kachel den entscheidenden Vorteil.
Dass die Jüngsten unter den Patienten oft eine andere Behandlung als ältere Kinder oder Erwachsene benötigen, zeigte beispielsweise auch der Themenblock "Thrombose und Gerinnung". Hier wurde insbesondere auf die abweichend funktionierende Blutgerinnung des Neugeborenen eingegangen. "Sie erfordert eine andere Interpretation der Laboranalysen und diese Besonderheiten müssen bei der Behandlung entsprechend berücksichtigt werden", erläutert Kachel.
Blick über den Tellerrand
Neben neuen wissenschaftlichen Erkentnissen tauschten die Teilnehmer auch Erfahrung jenseits der heimischen Labore und Operationssäle aus. So berichtete Professor Dr. Reinhard Hopfner von der Universitätsklinik für Kinder und Jugendliche aus Ulm vom schwierigen Aufbau einer Kinderintensivstation auf Haiti. Im vom Erdbeben immer noch stark verwüsteten Port-au-Prince hatte er zusammen mit amerikanischen Kollegen der University of Miami unter primitiven Bedingungen eine funktionierende pädiatrische Intensivabteilung aufbauen können.
Gerade der Vergleich mit Entwicklungsländern wie Haiti zeigte: In Deutschland ist die medizinischen Versorgung von Frühgeborenen sehr gut - und auch innerhalb Europas vorbildlich. Besonders eindrucksvoll zeigt sich das bei den "Frühchen" mit einem Gewicht von unter 1000 Gramm. 1976 überlebten in dieser Gruppe nur fünf Prozent der Kinder. Heute liegt die Sterblichkeitsrate nur noch bei rund 25 Prozent - das heißt, drei von vier der extrem früh Geborenen kommen durch. Dass Deutschland bei der Säuglingssterblichkeit insgesamt nur einen mittleren Rang in Europa belegt, liege also nachweislich nicht an der schlechten Versorgung von Frühgeborenen, erklärten Professor Dr. Frank Pohlandt aus Ulm und PD Dr. Andreas Trotter aus Singen.
Laufen für den guten Zweck
Nicht nur mit ihrer Forschung, auch mit körperlicher Leistung wollten die Mediziner und Pflegekräfte etwas für kranke Kinder bewirken. Am 27. Mai fand der GNPI Benefizlauf rund um das Bootshaus Mannheim statt. Auf rund 5,7 Kilometern liefen rund 140 Teilnehmer zu Gunsten des ECMO Deutschland e.V. Der Förderverein unterstützt Kinder mit chronischen Lungenerkrankungen. Das ECMO-Programm der Mannheimer Kinderklinik wurde von Kachel begründet und wird inzwischen von Dr. Schaible betreut. Bei der extrakorporalen Membranoxygenierung (ECMO) übernimmt eine Maschine teilweise oder vollständig die Atemfunktion von Patienten. "Über 6.000 Euro an Startgeldern und Spenden kamen am Samstag für den guten Zweck zusammen", freut sich der Vorsitzende Andrew Loudon. Der Verein kann das Geld gut gebrauchen - beispielsweise für die Anschaffung eines ACT-Plus-Gerätes, das Gerinnungszeiten im Blut misst, oder für die psychologische Betreuung von Eltern lungenkranker Kinder.
Besondere Beziehung zur Quadratestadt
"Hier habe ich aus kleinsten Anfängen die Neonatologie und auch das ECMO-Programm aufgebaut", erklärt Kachel seine besondere Beziehung zu Mannheim. So sei es schon etwas ganz Besonderes für ihn gewesen, nach so vielen Jahren mit der Jahrestagung der GNPI in die Metropolregion Rhein-Neckar zurückzukehren. Neben den emotionalen sprachen aber auch ganz handfeste Gründe für Mannheim als Tagungsort. Kachel: "Der Rosengarten ist eine der besten Tagungsstätten in Deutschland. Es gibt kein Gedränge in den einzelnen Vortragsräumen, die Medienpräsentation und -verwaltung sind hervorragend und das Personal ist hoch motiviert."
Weitere Informationen zur GNPI und zum wissenschaftlichen Programm des Kongresses finden Sie unter http://gnpi2011.de
Informationen zum ECMO e.V. finden Sie unter http://ecmo-ev.de
Bildrechte: SLK-Kliniken