Von den Tausenden von Deutschen, die aufgrund des Buches von Harpe Kerkeling auf dem Jakobsweg gestartet sind, hat nur ein kleiner Teil das selbstgesteckte Ziel erreicht. Realphilosophisches Essay von Philippe Anstett.
Wanderungen starten und enden meist am gleichen Punkt. Wer 1 Woche wandert macht das mal lang oder kürzer, gönnt sich einen Ruhetag und bleibt bei Schlechtwetter im Hotel. Soviel zum Wandern an sich.
Ganz anders beim Langstreckenwandern. Hier werden jeden Tag bei jedem Wetter je nach Gelände 25 – 35 Km bei einer Laufzeit von 7-9 Stunden zurückgelegt. Wer einen Reiseveranstalter mit Busbegleitung hat kann zwar Auszeiten nehmen, es fehlt ihm aber ein Stück vom Weg. So stellt sich die Frage nach Kondition und Konstitution auch völlig anders. Beim Langstreckenwandern ist die Beständigkeit in der Kontinuität und nicht das schnell erreichte Ziel gefragt. Die Kondition kann zu 1/3 aus dem Kopf kommen aber der Rest muss vorhanden sein. Wer glaubt, sich schon irgendwie einlaufen zu können, der irrt gewaltig. Die eigentliche Anstrengung, wenn auch gering, liegt in ihrer ständigen Präsenz über Tage (Wochen) hinweg. Diesen Hintergrund muss der Wanderer im Kopf regeln. Nur so bringt das Erleben auf dem Weg auch Freude und Zufriedenheit. Die Eingeweihten sprechen gern vom 3 oder 4 verflixten Tag. Ab dem beginnt der Profi fröhlich zu pfeifen, die anderen fragen sich, was soll ich hier.
Hier kommt das Triumvirat von Freiheit-Zwang-Erlebnis zum Tragen
Der Langstreckenwanderer erlebt in Natur-Wetter-Weite und Wind eine neue Art von Freiheit. Ein Stück von der Welt auf seinen 2 Füßen. Den Zwang muss er sich im positiven Sinn selbst auferlegen. Dann ist da noch ein Guide. Der erklärt, hilft, berät, ist meistens freundlich und immer präsent. Das schafft wieder dem Wanderer die Freiheit. Er kann sich ohne Gedanken an Wege, Karten, Wetter und sonstiges dem Erleben des Weges und den Kleinigkeiten im Vorübergehen zuwenden. Jeder Langstreckenwanderer ist auch ein Pilger im Dom der Natur. Der liegt
aber nicht am fernen Ende eines Weges, er ist immer unaufdringlich präsent.
Der Verfasser hat selbst in vielen Teilen der Welt über 120.000 Km zu Fuß zurückgelegt. Wenn auch kurz, steckt in diesen Zeilen der wahre Hintergrund. Langstreckenwandern ist für jene die sich dieser Pilgerphilosophie öffnen können eine echte Bereicherung. Anfangen muss jeder selbst.
Hinweis: Europa-Trekking Wanderreisen hat im Oktober 2007 den „spanischen Paulusweg“ kreiert. Der vermutlich längste, nur in Naturumgebung verlaufende Langstrecken Wanderweg im westlichen Europa über ca. 1750 Km. Info: www.paulusweg.de