Die Anforderungen an unseren Nachwuchs in der Schule, aber auch bei der Freizeitgestaltung und den zahlreichen außerschulischen Aktivitäten sind in den letzten Jahrzehnten stark gestiegen. Ein hoher zeitlicher Organisationsaufwand und vollgespickte Stundenpläne führen daher häufig zu einem Leistungsdruck, dem der Heranwachsenden nicht immer und in allen Lebenslagen gerecht werden kann. Eine häufig nicht erkannte Folge ist die Abnahme der Konzentrationsfähigkeit und - damit einhergehend - die reduzierte Lernfähigkeit des Kindes. Dabei ist die Konzentration auf abgegrenzte Aufgaben und Sachgebiete die Voraussetzung für Schulerfolg, Stress und Überforderungen daher kontraproduktiv und versetzungsgefährdend.
Wir alle kennen die Auswirkungen von Schlafstörungen und Übermüdungserscheinungen, die unsere Aufnahmefähigkeit stören und dazu führen, dass wir mehr Zeit für die selben Aktivitäten benötigen wie im ausgeschlafenen Zustand. Aufmerksames Zuhören und schnelles Begreifen sind dann nicht mehr voll gegeben. Im beruflichen Alltag können Erwachsene bis zu einem gewissen Grade durch Absprachen und neue Aufgabenverteilungen auf diese Konzentrationsdefizite reagieren, ein Schüler ist jedoch einem strengen Reglement unterworfen, dem er sich nicht entziehen kann. Zudem werden Konzentrationsschwächen nicht als solche erkannt, sondern andere Attribute in das Verhalten des Schülers hineininterpretiert. So wird in konkreten Situaitionen die mangelhafte Vorbereitung auf die Unterrichtsstunde, Desinteresse und pubertäre Verweigerungshaltungen als Ursache angesehen und nicht Überforderung und Stress.
Durch Vorwürfe, Anschuldigungen und Fehlinterpretationen kommt es dann zu weiteren Überforderungen und der Schüler wird ungewollt neuen Stresssituationen ausgesetzt. Dabei hängt die Lernfähigkeit gerade davon ab, wie stark man sich auf einen abgegrenzten Untersuchungsgegenstand konzentrieren kann. Denn Konzentration ist die Fähigkeit, seine ganze Aufmerksamkeit auf einen bestimmten Bereich auszurichten und dabei äußere Einflüsse und innere Störfaktoren auszublenden. Ängste, Konkurrenzdruck und Anspannungen verhindern jedoch die optimale Konzentrationsfähigkeit, da die geistige Anstrengung nicht mehr auf eine Aufgabe konzentriert ist.
Bei Leistungsabfall eines Schüler sollte daher die Frage im Vordergrund stehen, welche Faktoren die Konzentrationsfähigkeit beeinträchtigen könnten. Dies Ursachen können dabei von einem konkreten Ereignis im persönlichen Umfeld ausgehen - Krankheit eines Elternteils oder Verliebtsein etwa. Sie kann aber auch in einer von allen Beteiligten (inklusive des Kindes selber) unerkannten Überforderung im schulischen und außerschulischen Bereich liegen. Daher sollten bei Schwächen in der Konzentration und Aufmerksamkeitsstörungen dem Schüler keine falsche Schuldzuweisungen gemacht werden, sondern vielmehr intensiv und gemeinsam mit dem Betroffenen eine Suche nach den Störfaktoren beginnen, bevor eine Spirale der Überforderungen in Gang gesetzt wird.