Transnationaler Forscherverbund untersucht, wie Viren das Immunsystem überlisten.
Die Tricks und Überlebensstrategien von Viren besser zu verstehen, um sie künftig effektiver bekämpfen zu können: Diesem Ziel widmet sich der Forschungsverbund VISTRIE, der heute seine Förderzusage bekommen hat. VISTRIE ist ein von der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren gefördertes "Virtuelles Institut" mit eigenständiger Management-Struktur. VISTRIE steht für "Viral Strategies of Immune Evasion" ? frei übersetzt: Strategien von Viren, die Immunabwehr zu unterwandern. Unter der Federführung des Braunschweiger Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung (HZI) bündeln Wissenschaftler der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH), des TWINCORE-Zentrums für Experimentelle und Klinische Infektionsforschung in Hannover, der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf und der Universität Rijeka in Kroatien ihre Expertise. Ihr Studienobjekt: Das weit verbreitete Zytomegalievirus (CMV).
"Viren sind die kleinste bekannte Lebensform", erklärt Dr. Dr. Luka Cicin-Sain, Leiter des Virtuellen Instituts VISTRIE und Arbeitsgruppenleiter am HZI. "Falls man sie überhaupt als Leben im engeren Sinne bezeichnen kann." Viren sind beispielsweise nicht in der Lage, sich selbst zu vermehren. Dazu müssen sie Wirtszellen infizieren: Sie schleusen ihre Erbinformation in die befallene Zelle ein und lassen die einzelnen Virusbestandteile vom Wirt bilden. Am Ende werden die Bausteine zu neuen Viren zusammengesetzt und verpackt.
Unser Immunsystem ist in der Lage, den Erreger selbst oder virusinfizierte Zellen zu entdecken, zu vernichten und so die Vermehrung des Virus zu stoppen. Allerdings haben Viren im Laufe der Evolution viele Mechanismen entwickelt, um das Immunsystem auszutricksen. Sie sind in der Lage, die Kommunikation von Immunzellen zu stören oder das Abtöten der eigenen Wirtszelle zu verhindern. "Weil die Evolution von Viren im fortwährenden Wettstreit mit unserer eigenen Evolution liegt, sind die Erreger sehr gut an unser Immunsystem angepasst", erklärt Cicin-Sain. "Deshalb eignen sich Viren auch optimal, um das Immunsystem und die Virusabwehr zu erforschen."
Am Modell-Erreger der VISTRIE-Forscher, dem CMV, lassen sich solche Mechanismen beispielhaft untersuchen. Dieses Virus aus der Klasse der Herpesviren kommt weltweit sehr häufig vor: In Deutschland ist jeder zweite infiziert, in manchen Teilen der Welt tragen es sogar bis zu 99 Prozent der Bevölkerung in sich. Meist bekommen die Infizierten nichts von dem Virus mit ? es ruht entweder in den Zellen oder wird vom Immunsystem in Schach gehalten. Harmlos ist CMV trotzdem nicht: Insbesondere für ungeborene Kinder kann eine CMV-Infektion zur Bedrohung werden. "In den USA wird jedes tausendste Kind mit Missbildungen geboren, die direkt auf eine CMV-Infektion zurückzuführen sind", sagt Cicin-Sain.
Die Forscher im Virtuellen Institut wollen verstehen, wie das Virus es schafft, das Immunsystem auszutricksen und sich vor ihm zu verbergen. Mit diesem Wissen könnten in Zukunft neue Medikamente zur Behandlung von CMV und anderen Virusinfektionen entstehen. "Wir versprechen uns auch neue Erkenntnisse darüber, wie das Immunsystem auf eine Virusinfektion reagiert", so Cicin-Sain. "Mit der Zusammenarbeit im Virtuellen Institut VISTRIE vereinigen wir das Wissen exzellenter Virologen und verkürzen den Weg von der Grundlagenforschung zum Patienten."
Virtuelle Institute der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren:
Virtuelle Institute vereinigen die Arbeit von Helmholtz-Zentren mit Hochschulen und internationalen Partnern. Sie verfügen über eine eigene Führungs- und Managementstruktur und arbeiten wie ein einheitliches Forschungszentrum, in dem die einzelnen Partner räumlich weit voneinander getrennt sind. Die HGF fördert Virtuelle Institute bis zu fünf Jahre mit bis zu 600.000 Euro jährlich aus dem Impuls- und Vernetzungsfonds. Sie können zur Vorbereitung größerer Verbünde wie etwa der Helmholtz-Allianzen oder von EU Konsortien genutzt werden.
VISTRIE ("Viral Strategies for Immune Evasion") erhält über einen Zeitraum von fünf Jahren eine Fördersumme von rund 4,5 Millionen Euro, die von der Helmholtz-Gemeinschaft und den beteiligten Einrichtungen zur Verfügung gestellt werden. Das Institut nimmt im Oktober 2011 seine Arbeit auf.
Die Partner:
Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung, Braunschweig
Dr. Dr. Luka Cicin-Sain, Nachwuchsforschergruppe "Immunalterung und Chronische Infektionen?
Dr. Melanie Brinkmann, Nachwuchsforschergruppe "Virale Immunmodulation?
Medizinische Hochschule Hannover, Institut für Virologie
Professor Martin Messerle, Arbeitsgruppe "Zytomegalievirus?
TWINCORE-Zentrum für Experimentelle und Klinische Infektionsforschung, Hannover
Professor Ulrich Kalinke, Institut für Experimentelle Infektionsforschung
Heinrich-Heine-Universität, Düsseldorf
Professor Hartmut Hengel, Universitätsklinikum Düsseldorf, Institut für Virologie
Dr. Anne Halenius, Universitätsklinikum Düsseldorf, Institut für Virologie
Universität von Rijeka, Kroatien
Professor Stipan Jonjic, Medizinische Fakultät, Abteilung für Histologie und Embryologie
Ihr Ansprechpartner:
Dr. Bastian Dornbach, Pressereferent
Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
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