Die hessische Landes-Offensive zur Entwicklung wissenschaftlich-ökonomischer Exzellenz LOEWE hat die Förderung des Schwerpunkts »Anwendungsorientierte Arzneimittelforschung« an der Goethe-Universität Frankfurt entschieden. Damit verbunden ist die Gründung einer Fraunhofer-Projektgruppe unter der Leitung von Prof. Dr. Dr. Gerd Geisslinger.
Der neue LOEWE-Schwerpunkt hat zum Ziel, die an der Goethe-Universität Frankfurt am Main auf den Gebieten Wirkstoffforschung, präklinische und klinische Modellentwicklung und klinische Forschung vorhandene Expertise zusammenführen und weiter zu entwickeln. Die Fraunhofer-Projektgruppe, die in Kooperation zwischen dem Fraunhofer-Institut für Molekularbiologie und Angewandte Oekologie IME in Aachen und der Goethe-Universität aufgebaut wird, soll die gemeinsamen Bemühungen von Wirtschaft und Wissenschaft zur Steigerung der Leistungsfähigkeit der Arzneimittelforschung in Deutschland koordinieren, um die Entwicklungskosten von Arzneimitteln unter marktwirtschaftlichen Kriterien zu senken.
Wertschöpfung der deutschen Pharmaforschung steigern
Die Arzneimittelforschung besitzt eine enorme gesundheits- und wirtschaftspolitische Bedeutung. Aufgrund der demographischen Entwicklung werden langfristig sowohl die Krankheitshäufigkeit in der Bevölkerung wie auch der Bedarf an bezahlbaren innovativen Arzneimitteln steigen. Die Fraunhofer-Projektgruppe wird auf den Themenschwerpunkten translationale Arzneimittelforschung, Entwicklung pharmakologischer Modelle zur Vorhersagbarkeit von Sicherheit und Wirksamkeit, Epigenetik, Biomarker und klinische Forschung zum direkten Nutzen für Unternehmen und zum Vorteil der Gesellschaft arbeiten. »Die Umsetzung relevanter Forschungsergebnisse in die klinische Anwendung funktioniert bisher in Deutschland nicht zufriedenstellend«, beurteilt Geisslinger, Leiter des Instituts für Klinische Pharmakologie an der Goethe-Universität Frankfurt, die gegenwärtige Situation. Im Gegensatz zu amerikanischen Universitäten hätten deutsche Hochschulen in den vergangenen zehn Jahren de facto keine Rolle bei der Entdeckung innovativer Arzneimittel gespielt. Um die im europäischen Vergleich strukturbedingt niedrige Wertschöpfung der deutschen Pharmaforschung nachhaltig zu steigern, bedarf es neuer, institutioneller Modelle für anwendungsorientierte Arzneimittelforschung. Zur Deckung des Innovationsbedarfs setzt die pharmazeutische Industrie zunehmend auf Kooperationen mit Universitäten und außeruniversitären Forschungseinrichtungen.
Kräfte bündeln
Der LOEWE-Schwerpunkt bündelt die am Pharmastandort Frankfurt am Main vorhandene Forschungsexpertise in der Medizin und den Biowissenschaften. Die neue Fraunhofer-Projektgruppe bietet zusammen mit dem Mutter-Institut IME in Aachen und der Fraunhofer-Projektgruppe »Bio-Ressourcen« in Giessen der pharmazeutischen Industrie Forschungs- und Entwicklungsdienstleistungen und die Wirkstoff-Evaluierung in der präklinischen und klinischen Forschung an. Der Verbund ermöglicht erhebliche Synergieeffekte entlang der Wertschöpfungskette bis zur Durchführung klinischer Studien der Phase II. Dies wird maßgeblich dazu beitragen, dem Wissens- und Wirtschaftsstandort Deutschland in der translationalen Arzneimittelforschung eine Vorreiterrolle in Europa zu sichern. »Das Potenzial hierzu gründet sich auf unsere international sichtbare akademisch-wissenschaftliche und klinische Expertise sowie die hohe Dichte an pharmazeutischen Unternehmen im Rhein-Main-Gebiet«, erklärt Gerd Geisslinger.
Das übergeordnete Ziel des LOEWE-Schwerpunkts »Anwendungsorientierte Arzneimittelforschung« ist es, in Kooperation mit der Industrie vorhersagende präklinische und klinische Modelle zu entwickeln, um möglichst früh Aussagen über die Wirksamkeit und Sicherheit von Arzneistoffen treffen zu können und damit die Erfolgsraten der klinischen Entwicklung drastisch zu steigern. Künftige Fortschritte sind abhängig von einem umfassenden Verständnis der komplexen molekularen Signalwege von bisher nicht oder nur unzureichend behandelbaren Erkrankungen. Innovative Arzneimittelforschung orientiert sich deshalb zunehmend an der Aufklärung molekularer Signalnetzwerke (»Signaling«). Die systematische Erforschung pathophysiologisch relevanter Signalwege kann Wesentliches zum Verständnis von bisher unzureichend therapierbaren Erkrankungen beitragen. Das wissenschaftliche Konzept der Fraunhofer-Projektgruppe in Frankfurt orientiert sich deshalb an den langjährigen, exzellenten Vorarbeiten von Wissenschaftlern des Zentrums für Arzneimittelforschung, -entwicklung und -sicherheit (ZAFES) auf diesem Gebiet. Geplant sind fünf Forschungsprojekte, in denen es unter anderem darum geht, ein nebenwirkungsarmes schmerz- und entzündungshemmendes Medikament zu entwickeln. Eine weitere Substanz soll auf ihre Wirksamkeit zur Behandlung der Multiplen Sklerose geprüft werden. Voruntersuchungen haben gezeigt, dass der Wirkstoff gut verträglich ist und sich auch in hoher Dosierung für eine Dauerbehandlung eignen könnte. Die Studien beginnen mit einem Mausmodell und sollen ? gemeinsam mit den Projektpartnern ? bis zur klinischen Prüfung fortgeführt werden.
Prof. Dr. Rainer Fischer
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