Kinder sind in zahlreichen
Entwicklungsländern der Gefahr schwerer Vergiftungen durch Pestizide
schutzlos ausgesetzt. Dies ist das Ergebnis der Studie »Pestizide und
Kinder - Die Gefahr von Umweltgiften für Kinder«, die das
internationale Kinderhilfswerk terre des hommes gemeinsam mit dem
Pestizid Aktions-Netzwerk (PAN) erstellt hat. Die Studie ist ein
Hintergrund-Dokument der terre des hommes-Kampagne für ökologische
Kinderrechte und der PAN-Initiative zur Beendigung der Nutzung
hochgefährlicher Pestizide.
Deutlich wird, dass Kinder aufgrund ihrer körperlichen
Sensibilität besonders unter Vergiftungsgefahr leiden. Bereits der
Embryo nehme beim Kontakt mit Pestiziden durch die Mutter die in
ihrem Körper eingelagerten Schadstoffe auf. Zudem sei bei Kindern die
Atmungsfrequenz größer als bei Erwachsenen, und sie verfügten im
Vergleich über deutlich weniger Enzyme, die Gifte im Körper abbauen.
Viele akute Vergiftungen gingen auf Pestizidrückstände in
Lebensmitteln oder die falsche Nutzung offen zugänglicher Pestizide
zurück. Jährlich sind eine bis 41 Millionen Menschen von
Pestizidvergiftungen betroffen, mindestens 40.000 enden laut WHO
tödlich. 99 Prozent der Vergiftungen ereignen sich in
Entwicklungsländern. Die Dunkelziffer ist hoch. Nicht erfasst werden
die schleichenden, langfristigen Vergiftungen und Schäden.
»Pestizide schädigen Kinder dauerhaft und nehmen ihnen vor allem
in armen Ländern ihre Lebenschancen. Kinder sind beim Ausbringen der
Pestizide häufig direkt auf dem Feld oder spielen in der Nähe.
Besonders ungenau ist das Versprühen von Pestiziden aus der Luft, zum
Beispiel bei großen Plantagen, weil hier auch umliegende Dörfer und
die dort lebenden Familien betroffen sind«, erklärte Albert
Recknagel, Leiter des Referates Kinderrechte von terre des hommes. In
Bolivien, dem ärmsten Land Südamerikas, setzten drei Viertel aller
Kleinbauern giftige Pflanzenschutzmittel ein und seien gleichzeitig
von wichtigen Anwendungsinformationen ausgeschlossen. Das führe zu
rund 2.000 Vergiftungsfällen pro Jahr, so Recknagel. Die Folgen
akuter Pestizidvergiftungen seien Schwindel, Sehstörungen, Augen- und
Hautschäden, Atemnot, Muskelkrämpfe und Bewusstlosigkeit bis hin zum
Tod.
Bislang kaum erforscht und schwer kontrollierbar ist der Verkauf
von Pestiziden durch Straßenhändler, zum Beispiel in Südafrika.
Jugendliche Verkäufer handeln oft - in Unkenntnis der Folgen - mit
Pestiziden, die in Beuteln oder Flaschen umgefüllt werden und von den
Menschen in den Slums zur Rattenbekämpfung eingesetzt werden. »Durch
das Umfüllen in zweckfremde Verpackungen, können kleine Kinder die
Flüssigkeit mit Wasser oder Milch verwechseln. Das Rattengift wird
häufig in kleine Brotkugeln eingearbeitet und dann für Ratten
ausgelegt. Auch hier sind Kleinkinder gefährdet«, erklärte Andrea
Rother, Wissenschaftlerin an der Universität Kapstadt, bei der
Vorstellung der Studie in Bonn.
»Seit rund 30 Jahren wird versucht, durch Gesetze, staatliche
Pestizidzulassungen und Trainings die Millionen weltweiter
Pestizidvergiftungen einzudämmen. Bisher mit geringem Erfolg. Deshalb
muss die Pestizidpolitik endlich neu ausgerichtet werden«, sagte
Carina Weber, Geschäftsführerin des Pestizid Aktions-Netzwerk (PAN).
terre des hommes und PAN fordern dazu auf, dem Rat von Experten
und UN-Gremien zu folgen und hochgefährliche Pestizide schrittweise
vom Markt zu nehmen. Dazu bedarf es einer ständig an den neuesten
Stand der Wissenschaft angepassten Liste hochgefährlicher Pestizide
der FAO/WHO.
Deutsche Unternehmen sollen bei der Produktion von Chemikalien
gerade im Ausland höchste Umwelt- und Sicherheitsstandards einhalten.
Auf diese müssten sie auch ihre Tochterfirmen und Händler
verpflichten. Warnhinweise und Benutzervorschriften sollten auch für
Analphabeten verständlich sein und auf die Gefahren bei unsachgemäßer
Nutzung hinweisen. Nationale Regierungen und die WHO müssen dafür
sorgen, dass Vergiftungen mit Angabe des Alters und des Geschlechts
registriert und ausgewertet werden. Kombiniert wären diese Maßnahmen
ein wichtiger Beitrag zur Sicherung ökologischer Kinderrechte und
gegen die Bedrohung der Gesundheit und Zukunft von Millionen Kindern.
Für Rückfragen und Interviews:
Athanasios Melissis
Telefon 05 41 / 71 01-134
Weitere Informationen:
Studie zum Download unter http://ots.de/vvR8F
www.tdh.de/oekologische-kinderrechte
www.facebook.com/tdh.de
www.pan-germany.org/deu/projekte/hochgefaehrliche_pestizide.html