Ist es Ehrgeiz, Perfektionismus oder typisch weiblicher Masochismus? Was treibt diese kluge Lehrerin und so vielseitig talentierte Sportlerin in Richtung Selbstzerstörung? Ist es ein Superfrauensyndrom oder das verschleierte Handicap, sodass sie ihre Belastungsgrenzen nicht mitteilen will und kann?
Mit fortschreitender Lektüre wächst neben der Spannung auch die Besorgnis, warum diese leistungsorientierte und hoch engagierte Frau und Mutter nicht endlich die rote Karte zückt. Wann sie endlich ihre Grenzen zieht, Aufgaben abgibt und aufzeigt, dass sie sich nicht länger selbst ausbeutet und ausbeuten lässt.
Rückblenden in die Kindheit und Jugend der Autorin lassen erahnen, wo die Ursachen der seelischen Verletzlichkeit liegen, das Nichtannehmenkönnen des Makels einer schweren Wirbelsäulenverkrümmung. Mitgefühl steigt auf und Wut auf diesen Vater.
Und da ist dieser gnadenlose Schmerz im Bein und in der bereits 1976 korrigierten und versteiften Wirbelsäule, der Alltag und Psyche beschwert. Nur starke Medikamente und eine weitere riskante Operation können helfen. Doch wo und von wem, nach welcher Methode? Eine Odyssee durch süddeutsche Kliniken beginnt. Die depressive Entwicklung ist schon im Gange.
Natur, Bewegung und Sport sind Ausgleich zu Schmerzen und Schulstress als Bewältigungsstrategie ersten Ranges. Es folgen diverse Therapien, OP und qualvolle Rekonvaleszenz.
Nach einer Schonzeit wird weiter hoher Einsatz erwartet. Schon wieder wirft sich die gerade genesende Ex-Patientin in Stresssituationen und unter Leistungsdruck. Erfolge haben ihren Preis. Doch diesmal reichen die Kräfte nicht lange aus.
Bevor es zur Katastrophe kommt, zieht sie die Reißleine, denkt endlich nur an sich. Entsetzen und Empörung bei den Angehörigen, mutiges und konsequentes Handeln bei der Autorin. Ein weiterer langer stationärer Weg, führt er zur Wende, zu Einsicht und Heilung?
Ein flüssig und äußerst spannend erzählter Erfahrungsbericht mit interessanten Schauplätzen, darunter Berlin, Basel, Paris, Vichy. Einblicke in den Familienalltag einer Lehrerin mit besonderer Liebe zum Wasser und zu Frankreich.
Mit gut verständlichen Hintergrundinformationen (in Zusammenarbeit mit Dr. Franz Begov) zu 24 sportwissenschaftlichen und medizinischen Kernbegriffen wie z.B. Aggression und Sublimation, Biofeedback, Entspannungsmethoden, diagnostischen Verfahren wie Myelographie, MRTupright, die Diät Montignac etc.
Ein leidenschaftliches Plädoyer für mehr Offenheit im Umgang mit den eigenen Schwächen und Grenzen, für mehr Verständnis und Menschlichkeit in unserer Leistungsgesellschaft.
Spannend wie ein Krimi, flüssig wie ein Roman. Mutig, authentisch, realistisch.
Ein wertvolles Buch zur Selbsterkenntnis, Selbsthilfe und Prävention.
Petra Levator/ Dr. Franz Begov
TARNKAPPE
Schmerz und Depression überwinden. Durchhalten mit Sport.
Knirsch- Verlag 2010 EUR 18,90
www.petra-levator.de
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