- Im Jahr 2020 hat das Gesundheitswesen der Industrieländer eine
neue Struktur
- Krankenversicherer werden die zentralen Gestalter des neuen
Systems sein
- Versicherer sollten sich jetzt positionieren und in den Aufbau
neuer Kompetenzen investieren
In den nächsten zehn Jahren wird das Gesundheitswesen der
Industrieländer neu strukturiert. Die Gestaltung des zukünftigen
Gesundheitssystems liegt in der Hand der Regierungen und
Krankenversicher. Sie führen neue Honorierungsarten für medizinische
Leistungen ein und nutzen den Trend zur Computerisierung, um im
Rahmen der nationalen Gesundheitspolitik ein Maximum an Leistung und
Effizienz zu erhalten. Das zeigt die aktuelle, weltweite Studie "The
end of Healtcare... as we know it?" der Unternehmensberatung Bain &
Company. Um ihre neue Rolle auszufüllen, müssen Versicherer das
System über Anreize und Honorare steuern - einerseits, um die
Prozesse und Leistungen von Praxen und Krankenhäusern nach Qualitäts-
und Kostenaspekten zu optimieren, andererseits, um die Versicherten
zu gesundheits- und kostenbewusstem Handeln zu motivieren.
In vielen Industrieländern sind Gesundheitskosten heute der größte
und am stärksten wachsende Haushaltsposten. Weltweit haben die
finanziell bedrängten Staaten deshalb Programme zum Umbau der
Gesundheitssysteme auf den Weg gebracht, um zumindest weitere
Kostensteigerungen einigermaßen einzudämmen. Der größte Kostenblock
im Gesundheitssystem sind die Vergütungen für Ärzte und
Krankenhäuser. Auf Druck der öffentlichen Hand und der Kassen werden
sich bis zum Jahr 2020 Arztpraxen und Krankenhäuser weitgehend zu
Gesundheitsnetzwerken zusammengeschlossen haben und Patienten nach
Kosten-Nutzen optimierten Kriterien versorgen.
Versicherer und staatliche Gesundheitssysteme initiieren, lenken
und unterstützen diesen Umbauprozess durch Richtlinien und
Vertragsgestaltung. Ihre Honorierung medizinischer Leistungen erfolgt
in Zukunft immer stärker nach definierten Erfolgskriterien wie
Versorgungsqualität, Behandlungskosten und -erfolg; es wird
Kopfpauschalen, Belohnungen für kostenbewusstes Verhalten und
vorgegebene Behandlungsstandards geben. Einige Versicherer werden
sich - wo möglich - vertikal integrieren, um Qualität und Kosten der
Versorgung über eigene Ärztenetzwerke und Krankenhäuser kontrollieren
zu können.
Versicherer werden bei Ärzten und Patienten ansetzen
Vergleichsstudien zur Effektivität von Behandlungen (Comparative
Effectiveness-Studien) unterstützen die Versicherer in Zukunft bei
ihrer Arbeit. Über die systematische Auswertung der bis 2020
implementierten elektronischen Patientenakte werden die Versicherer
das Kosten-Nutzenverhältnis der gebräuchlichsten Therapien sehr genau
kennen. Dieses Wissen werden sie in Form von Behandlungs- und
Erstattungsrichtlinien sowie medizinischen Standardprozessen in die
klinische Praxis zurückspiegeln. Das Ergebnis sind vereinheitlichte
Qualitätsstandards sowie nach Kosten-Nutzengesichtspunkten optimierte
Therapien, wenn auch um den Preis einer eingeschränkten ärztlichen
Entscheidungsfreiheit.
2020 werden Versicherer Behandlungsnetzwerke etabliert haben, die
sie über anreizbasierte Honorarstrukturen steuern, um Qualität und
Kosten der Behandlung zu optimieren. Auch werden sie die
Inanspruchnahme medizinischer Leistungen durch die Versicherten über
finanzielle Anreize und Zuzahlungsmodelle steuern.
Um einer alternden Bevölkerung auch langfristig ein akzeptables
und bezahlbares Versorgungsniveau bieten zu können, werden die
Versicherer zukünftig stärker in die langfristige Gesunderhaltung
ihrer Versicherten investieren. Damit breite Präventionsmaßnahmen
jedoch erfolgreich sind, müssen die nationalen Gesundheitsbehörden
entsprechende Regelungen treffen.
Strategische Prioritäten für Krankenversicherer
Um ihre neue Rolle auszufüllen, müssen Versicherer rechtzeitig
neue Kompetenzen aufbauen, um sich für den Gesundheitsmarkt 2020
strategisch zu positionieren:
Netzwerkmanagement: Aufbau und Management eines eigenen,
konkurrenzfähigen Ärzte- und Kliniknetzes ist eine der wichtigsten
Zukunftsaufgaben für Versicherer. Wer schnell ist, wird die erste
Wahl bei der Gestaltung seines Netzwerks haben; allerdings nur im
Rahmen der jeweiligen nationalen Gesundheitspolitik. In einigen
Ländern wie den USA integrieren sich Versicherer, Kliniken und Ärzte
verstärkt vertikal, wie heute schon bei Intermountain Healthcare.
Kosten-Nutzenmanagement: Ein wesentlicher Aspekt, um das
Kosten-Nutzenverhältnis medizinischer Behandlungen zu verbessen, sind
effiziente Anreizsysteme. Sie verhindern, dass medizinische
Leistungen übermäßig ausgeweitet werden und belohnen kostensparende
Behandlungsmethoden und Qualität. Basierend auf dem immer besseren
Verständnis von Wirksamkeit und Sicherheit von Therapien sollten
Versicherer standardisierte Behandlungswege vorzeichnen und deren
Einhaltung finanziell belohnen.
Patientenmanagement: Ungesundes Leben von Patienten und die
Inanspruchnahme medizinischer Leistungen sollten mit angemessenen
Hürden versehen werden. Erste, bereits in vielen Ländern etablierte
Ansätze sind Risikozuschläge etwa für stark Übergewichtige,
Patientengebühren und Zuzahlungen. Im Rahmen der nationalen
Regelungen und der Akzeptanz bei den Versicherten sind Maßnahmen
denkbar, die die Gesunderhaltung und Selbstbehandlungen durch die
Patienten fördern.
Konsolidierung: Der Wettbewerb unter den Versicherern steigt,
deshalb werden auch Spezialisierungen und Nischenangebote zunehmen.
Wer in fragmentierten Märkten wie der Schweiz keine Führungsrolle bei
der Konsolidierung übernimmt, droht ihr zum Opfer zu fallen.
"Die Versicherer werden die Dirigenten des Gesundheitsmarkts 2020
sein", sagt Dr. Norbert Hültenschmidt, Leiter der weltweiten
Healthcare-Praxisgruppe von Bain & Company. "Sie sorgen dafür, dass
das Gesamtsystem innerhalb des jeweiligen nationalen Rahmens ein
Optimum an Qualität und Leistung zu einem vertretbaren Preis
erbringt."
Pressekontakt:
Leila Kunstmann-Seik
Bain & Company Germany,Inc.
Tel: +49 89 5123 1246, E-Mail: leila.kunstmann@bain.com