Mit den Zähnen Knirschen und Pressen hat sich in unserer Leistungsgesellschaft zu einer quasi Volkskrankheit entwickelt. Wenn wir unserer Praxis in Darmstadt neuen Patienten mit der Mundkamera Bilder von Ihren abgeknirschten Eckzähnen zeigen, dann wollen die meisten gar nicht glauben, dass sie das selber verursacht haben. Ich knirsche nicht mit meinen Zähnen! Das ist eine der häufigsten Antworten, wenn wir bei Vorsorgeuntersuchungen dieses Thema anschneiden.
Schon kleine Kinder haben oft einen sehr straffen Terminplan, stehen damit schon in jüngsten Jahren unter gewaltigen Stress und knirschen schon extrem häufig und hörbar mit ihren Zähnen. In der Schule, in der Ausbildung oder Uni und später im Beruf setzt sich das bei den meisten Menschen nahtlos fort. Prüfungsstress, Beziehungsstress, Terminstress - unsere Leistungsgesellschaft fordert ihren Tribut! Als Folge davon arbeiten die meisten Menschen einen Teil dieser gewaltigen Belastungen nachts im Schlaf in ihrem Unterbewusstsein ab und knirschen und pressen dabei auf ihren Zähnen herum. Das hat auf Dauer zur Folge, dass der Zahnschmelz an den Stellen, wo die Zähne am stärksten zusammenkommen, nach und nach abgerieben und reduziert wird. Viele Patienten können gar nicht glauben, dass das möglich ist. Doch auch ein Wassertropfen kann über Jahre härtesten Stein aushöhlen, das wissen die meisten von uns.
Das Knirschen mit den Zähnen schädigt auf Dauer nicht nur die Zähne selbst, sondern führt auch zu Veränderungen im Kiefergelenk, wo zuerst der Knorpel und später oft auch der Knochen verformt und verändert werden können. Die meisten Menschen wissen, dass Überbelastungen von Gelenken (im Knie zum Beispiel der Meniskus oder in der Wirbelsäule die "Bandscheibe") zu schweren Dauerschäden führen können, die in irgendeinem Stadium sogar operativ behandelt werden müssen.
Das Kiefergelenk kann man auch heute noch nicht so operieren, das hinterher eine wirklich befriedigende Lösung der Probleme ereicht wird.
Darum ist es besonders wichtig, so früh wie möglich damit zu beginnen, Schäden im Gelenk gar nicht erst entstehen zu lassen, denn weitere Konsequenzen können muskuläre Verspannungen der Kau-, Nacken- und Schultermuskulatur sein.
Die sinnvollste Maßnahme wäre es, die Ursachen für das Zähneknirschen, nämlich den Stress zu vermeiden. Das ist in unserer Leistungsgesellschaft jedoch in den seltensten Fällen erfolgreich möglich. Die Menschen sollten trotzdem nicht aufhören, am Stressmanagement zu arbeiten!
Eine weitere sehr effektive Maßnahme ist es, nachts eine sogenannte Aufbiss- oder Knirscherschiene aus hartem Kunststoff zu tragen, die aber unbedingt Kiefergelenksbezogen im Zahntechniklabor angefertigt werden sollte. Über die Dicke dieser Schiene kann man individuell für den jeweiligen Patienten schon vorliegende Schäden kompensieren und versuchen, eine Dekompression des Kiefergelenkes zu erreichen. Die Oberfläche der Schiene muss aber in jedem Fall den Kauflächen und dem Biss des Patienten angepasst werden. Bei ganz vielen Patienten führt das regelmäßige Tragen solch einer Schiene weiterhin dazu, dass vorher vorhandene Kopf- und Nackenschmerzen erheblich reduziert werden!!!
Beim nächtlichen Knirschen können die eigenen Zähne den Kunststoff abknirschen, ohne selbst dabei Schaden zu nehmen. Außerdem wird der punktuelle Druck, der beim Zusammentreffen von einzelnen Zähnen entstehen würde, auf eine größere Fläche verteilt und damit reduziert. Man kann sich das so vorstellen: Wenn man mit dem Fuß in tiefen Schnee tritt, dann kann es vorkommen, das man bis zur Hüfte einsinkt; wenn man einen Ski unter dem Fuß hat, dann sind es meist nur einige Zentimeter, die man noch einsinkt, weil das Gewicht auf eine viel größere Stecke verteilt wird. Ähnlich verhält es sich mit der Gewichtsverteilung beim Tragen einer Knirscherschiene und besonders der Knorpel im Gelenk wird durch diese Maßnahme geschont.
Wenn also bei einer Vorsorgeuntersuchung festgestellt wird, das Anzeichen für stressbedingtes Knirschen bestehen, dann sollte man sich unbedingt mit seinem Zahnarzt darüber verständigen, ob das nächtliche Tragen einer kiefergelenksbezogenen Knirscherschiene eine sinnvolle Maßnahme darstellen würde um spätere Schäden an Zähnen und dem Kiefergelenk zu vermeiden oder zu vermindern.
Aber es ist aber auch ganz wichtig, den Menschen immer ganzheitlich zu sehen und gleichzeitig darauf hinzuwirken, dass andere in Frage kommende Ursachen für muskuläre und orthopädische Probleme behandelt werden, wenn Behandlungsbedarf in diese Richtung besteht.
Zahnarzt Darmstadt Kristin Endres MSc