(NL/1202347179) Interview mit Dr. Juliane Kaminski - Max-Plank-Istitut
Frau Dr. Kaminski erforscht und vergleicht die kognitiven Fähigkeiten unserer nächsten Verwandten den Menschenaffen, mit anderen Säugetieren und denen des Hundes. Nach Ihren bisherigen Forschungsergebnissen besitzen nicht nur Menschen kognitive Fähigkeiten, also ein Bewusstsein und die Fähigkeit selbstständig zu denken, mentale Zustände wie Absichten oder Wünsche anderer (den Menschen) zu erkennen und zu verstehen, sondern auch Hunde.
Hounds & People: Zunächst möchte ich mich im Namen aller Hundebesitzer bei Ihnen, Ihren Kollegen und dem Max-Plank-Institut, für die bisherigen wissenschaftlichen Forschungsergebnisse über die einzigartigen intelligenten Fähigkeiten des Hundes im Zusammenleben mit dem Menschen, bedanken!
Hounds & People: Leider wird der Hund bis heute von vielen Menschen immer noch nicht verstanden. Warum?
Dr. Kaminski: Meiner Meinung nach finden wir nach wie vor hauptsächlich die zwei Extreme: Entweder der Hund wird als "verdummter Wolf" betrachtet, als ein Lebwesen, welches nur starren Mustern folgt und relativ unflexibel nur durch Konditionierung beeinflussbar lernt. Ansonsten jedoch eigentlich nichts über seine Umwelt versteht. Oder, das andere Extrem, als ein Lebwesen, welches, genau wie der Mensch, eigentlich alles über die Umwelt versteht. Sich in den Menschen hineinversetzen kann, alles versteht was der Mensch sagt, taktisch denkt ect. ect… eben alles genau wie der Mensch selbst. Beide Extreme werden dem Hund nicht gerecht und stehen einem echten Verstehen des Hundes im Weg.
Hounds & People: Waren die Arbeiten von Jane Goodall über das Verhalten von Jimpansen die Grundlage dafür, dieses auch mit anderen Säugetieren zu vergleichen?
Dr. Kaminski: Vergleiche zwischen Schimpansen und Menschen sind natürlich daher interessant, da Schimpansen die nächsten, lebenden Verwandten des Menschen sind und wir natürlich durch Vergleiche beider Arten etwas über die Evolution menschlicher Kognition lernen können. Der Hund ist so spannend, da er schon so lange mit dem Menschen lebt und möglicherweise durch dieses lange Zusammenleben besondere Fähigkeiten, als Anpassung an das Leben mit dem Mensche entwickelt hat.
Hounds & People: Als 2002 die Forschungsergebnisse Ihres Kollegen Brian Hare veröffentlicht wurden, dass der Hund als einziges Säugetier die Körpersprache des Menschen versteht ohne dies erlernen zu müssen, war dies eine Sensation. Warum der Hund und nicht unsere nächsten Verwandten die Jimpansen?
Dr. Kaminski: Wir gehen davon aus, dass die flexiblen Fähigkeiten des Hundes mit menschlicher Kommunikation umzugehen, also die Kommunikation des Menschen zu nutzen, eine direkte Anpassung des Hundes an das Leben mit dem Menschen ist. Daraufhin deuten verschiedene Erkenntnisse. Zum einen können selbst unsere nächsten, lebenden Verwandten die Schimpansen kommunikative Hinweise des Menschen nicht so flexibel deuten wie der Hund. Des Weiteren scheint es als wenn Hunde diese Fähigkeit nicht erst langwierig erlernen müssen sondern bereits Welpen im Alter von 6 Wochen diese Fähigkeit haben. Der letzte Punkt, der daraufhin deutet, dass es sich bei diesen Fähigkeiten um eine spezielle Anpassung des Hundes handelt ist die Tatsache, dass Wölfe, die Vorfahren des Hundes, diese Fähigkeit nicht haben oder nur durch spezielles Training erwerben können. Dies gilt auch für Wölfe, die in menschlicher Umgebung wie Hunde aufgezogen wurden.
Hounds & People: In Ihren wissenschaftlichen Arbeiten beschäftigen Sie sich auch mit der gemeinsamen Evolutionsgeschichte von Hund und Mensch. In der Vergangenheit waren die Menschen, auf den Hund – auch als Helfer – angewiesen und mussten ihm vertrauen. Dies hat sich geändert. Der Hund versteht heute zwar immer noch den Menschen und versucht sein Verhalten permanent zu deuten, der Mensch aber nicht mehr den Hund. Was bedeutet dies, trotz der Anpassungsfähigkeit im Zusammenleben mit dem Menschen, auch langfristig für den Hund?
Dr. Kaminski: Die Sicht auf den Hund hat sich verändert und ebenso die "Nutzung" des Hundes. Vor allem in unseren, westlichen Kulturen. Der Hund ist mehr und mehr vom Arbeitshund zum reinen Begleithund geworden. Dies hat natürlich starke Konsequenzen für den Hund, da nicht jede Rasse dafür überhaupt geeignet ist. Absolute Arbeitsspezialisten wie z.B. der Border Collie werden nun als reine Familienhunde ohne echte Arbeitsaufgabe gehalten. Dies muss zwangsläufig zu Verhaltensproblemen führen, wenn den Bedürfnissen der Hunde gar nicht mehr gerecht werden kann und die Besitzer ihre Kaufentscheidung ausschließlich nach äußerlichen Merkmalen fällen, aber sich der Bedürfnisse des Hundes gar nicht mehr bewusst sind. Ich traf einmal eine Hundebesitzerin auf einer Hundewiese und als sie meinen Hund sah sagte sie: "Oh, einen Rhodesian Ridgeback wollte ich mir auch erst anschaffen, aber dann konnte ich mich nicht entscheiden zwischen einem Labrador und einem Ridgeback, weil die beide so süß aussehen" Ich denke, dieses Gespräch beschreibt sehr gut, wie viele Besitzer leider nach wie vor ihre Entscheidung zur Anschaffung eines Hundes fällen.
Hounds & People: Was müssten die Menschen tun damit sie ihren Hund besser verstehen, um die Kommunikation mit ihm zu verbessern?
Teil 2: http://www.houndsandpeople.com/de/magazin/gesellschaft/eigentlich-wissen-wir-nichts-von-unseren-hunden/