fit und munter - EMNID Studie: Glücksspiel in Deutschland / Verbote schützen nicht

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EMNID Studie: Glücksspiel in Deutschland / Verbote schützen nicht


Im Vorfeld der politischen
Diskussion um eine neue Glückspielordnung in Deutschland hat TNS
Emnid im Frühjahr in einer groß angelegten repräsentativen
Meinungsumfrage das Geldspielverhalten der Deutschen untersucht. Um
statistisch belastbares Datenmaterial über das Verhalten aller
Glücksspieler, auch der kleinen Zahl der problematischen und
pathologischen, zu erhalten, musste TNS Emnid 15.000 Interviews
durchführen.

Das Ergebnis: Knapp zwei Drittel der erwachsenen Deutschen haben
in den vergangenen 12 Monaten wenigstens einmal mit und um Geld
gespielt. Von diesen Glücksspielern spielen 61% Lotto, 29%
Fernsehlotterien, 10% Kartenspiele um Geld; 6% Poker um Geld, 6%
Staatliche Klassenlotterien, 5% Geld-Gewinn-Spielgeräte in
Gaststätten oder Spielstätten, 5% Fußballtoto, 4% Roulette etc. in
Spielbanken und 3% Sport- und Pferdewetten. Im Durchschnitt spielen
die Glücksspieler zwei unterschiedliche Spielformen, krankhafte
Spieler hingegen beteiligen sich an fünf Spielarten parallel - und
zwar häufig und intensiv. Die Studie von TNS Emnid räumt mit dem
Vorurteil auf, dass krankhafte Spieler auf ein spezielles Spiel
fixiert seien. So gibt es weder den krankhaften Wett-Freak noch den
zwanghaften Automaten-Zocker. Vielmehr muss davon ausgegangen werden,
dass es in der erwachsenen deutschen Bevölkerung einen verschwindend
geringen Prozentsatz (0,23 %) krankhafter Spieler gibt, die
gleichzeitig auf alles "zocken", was ihr krankhaftes Spielbedürfnis
befriedigt. Hier legt die Untersuchung ein radikales Umdenken nahe.
Wenn es um die Eindämmung und Bekämpfung krankhaften Spielverhaltens
geht, gehört die Spielerpersönlichkeit ins Zentrum der Betrachtung
und nicht das Spiel, dem der krankhafte Spieler mehr oder minder
zufällig frönt. "Dies stellt", so K.P. Schöppner, Geschäftsführer von
TNS Emnid", die Spielerschutz-Politik vor neue Herausforderungen."
Henning Haase, Professor für Psychologie an der Universität
Frankfurt/M., der die Untersuchung wissenschaftliche begleitet hat,
konkretisiert: "Wer eine Spielform bekämpft und meint, damit das
Problem des krankhaften Spielens in den Griff zu bekommen, der irrt".
Vielmehr lassen die Ergebnisse der Studie erwarten, dass die
Zurückdrängung oder gar das Verbot eines Spielangebotes, den
krankhaften Spieler nicht dazu bringt, mit dem Spielen aufzuhören,
sondern ihn nur dazu treibt, die Spielformen zu wechseln.

Welche Glücksspiele bevorzugt werden, hängt davon ab, welche
Spielformen in "Griffnähe" und somit für den Spieler am leichtesten
erreichbar und welche Spielformen gerade "angesagt" sind, wie sehr
gut am inzwischen wieder abklingenden Poker-Hype erkennbar ist. Dem
Bedürfnis nach "Spielvergnügen rund um die Uhr" kommt das faktisch
unregulierbare und unkontrollierbare Spielangebot im Internet
entgegen. Ca. drei Viertel der erwachsenen Bevölkerung ist online,
aber nur 1,3% aller Befragten besuchen mindestens einmal im Monat
eine Spielhalle oder Spielothek; und 0,7% eine staatliche Spielbank.
Hier stehen das regulierte und kontrollierbare "körperliche" Spiel in
Gast- und Spielstätten und das unregulierte, aber doch zumindest
kontrollierbare Spiel in den Spielbanken im direkten Wettbewerb mit
dem virtuellen Glücksspiel im Internet, das der nationalstaatlichen
Kontrolle entzogen ist. "Die TNS Emnid-Studie", so Professor Haase,
"legt mit diesen Ergebnissen das Dilemma offen, in dem sich die
deutsche Glücksspielpolitik befindet. Entscheidet sie sich für das
bestehende kontrollierbare stationäre Spielangebot in
Lottoannahmestellen, Spielbanken, Wettbüros und Spielhallen oder
überlässt sie den Geld- und Glücksspielmarkt den unregulierbaren
Angeboten im Internet?"

Die TNS Emnid-Studie zeigt weiterhin, dass sich die Beteiligung an
den meisten Glücksspielen in der Regel auf bestimmte Lebensphasen
beschränkt; Lottospieler sind im Durchschnitt etwa doppelt so alt wie
Pokerspieler. Jedenfalls scheint die Beteiligung an Geld- und
Glücksspielen kein lebenslanges Schicksal zu sein. Die meisten der
Spieler hören einfach auf damit, wenn sie keine Lust mehr dazu
haben. Ähnlich wie beim Sport ist auch beim Spiel die Herausforderung
in Bezug auf die Reaktionsschnelligkeit und sonstige Kompetenzen ein
wesentliches Kriterium dafür, wann eine "Spielerkarriere" endet. Im
Vergleich zum Lottospieler, der nur den Lottoschein ausfüllen muss,
ist die "Karriere" eines Automatenspielers kurz, denn moderne
Geldspiel-Automaten verlangen hohe Aufmerksamkeit und
Reaktionsschnelligkeit, die mit zunehmendem Lebensalter geringer
werden. Dementsprechend sinkt die Attraktivität dieser speziellen
Spielangebote und veranlasst die Spieler, sich in anderen Spielformen
zu versuchen. Compu-terbasierte Spielformen - wie z.B. das
Automatenspiel in Spielhallen - sind wegen ihrer Schnelligkeit
offensichtlich weniger geeignet, Spieler langfristig zu binden wie
dies "langsame" Glücksspiele wie Lotto, aber auch Sportwetten tun.
Deswegen verwundert der Befund der Studie auch nicht, dass
Geld-Automatenspieler in den höheren Alters-Jahrgängen kaum noch
anzutreffen sind.

"Die tatsächliche Bedeutung des Spielens mit und um Geld, wie wir
sie statistisch zuverlässig gemessen haben, ist weit geringer, als
ihr in der aktuellen politischen Diskussion beigemessen wird. Auch
das pathologische Spielverhalten, die Spielsucht, ist im Vergleich zu
anderen Suchtformen relativ unbedeutend," kommentiert Professor
Haase die Ergebnisse des TNS Emnid-Untersuchung. Eine
Spielerschutz-Politik, die ich ausschließlich mit der Frage
beschäftige, welche Glücksspielangebote zugelassen und wie sie
reguliert werden sollen, gehe am Kernpunkt vorbei. "Wer Spieler
wirksam schützen will, der muss ihre Kompetenz im Umgang mit
risikoreichen Spielen fördern. Denn bei der Allgegenwärtigkeit von
Glücksspielangeboten im Internet, sind Verbote weitgehend nutzlos",
resümiert Haase. "Im schlimmsten Fall können sie sogar das Gegenteil
bewirken. Wer ein Wettbüro oder eine Spielhalle verbietet, treibt den
Spieler aus dem gesetzlich geregelten und sozial kontrollierten
´Spielraum` in die Anonymität des unkontrollierbaren Internets."

Befragte: 15.000

Zeitraum: Frühjahr 2011

Auftraggeber und Deklaration möglicher Interessenkonflikte Bei
dieser Studie handelt sich um die erste große repräsentative
Untersuchung zum Glücksspielverhalten in Deutschland, die nicht mit
Fördermitteln aus der Glücksspielabgabe der Unternehmen, die dem
staatlichen Glücksspielmonopols unterliegen, durchgeführt wurde. Die
Studie wurde im Auftrag der AWI - Automaten-Wirtschaftsverbände-Info
GmbhH in der Zeit von Februar bis Juni 2011 durchgeführt. Die
Mitarbeiter der Studie waren unabhängig in der Auswahl der
Untersuchungsinstrumente und Fragestellungen, der Planung der
Untersuchung sowie in der Auswertung und Interpretation der
Ergebnisse.

Die komplette Studie wird am Mittwoch, den 2. November 2011 um
11.00 Uhr im dbb forum berlin, Friedrichstraße 169/170, 10117 Berlin
vorgestellt. Interessierte Journalisten können sich per E-Mail
mc.gruetzner(at)wmp-ag.de anmelden.



Pressekontakt:
Bei Nachfragen: Prof. Dr. Henning Haase, +49 69 77 66 05
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