Wissenschaftler unter Federführung der Universitäten Bonn und
München haben einen neuartigen Ansatz gefunden, wie sich im Körper
auf einen Schlag verschiedene Viren bekämpfen lassen. Die
gefährlichen Krankheitserreger nutzen bestimmte Proteine ihrer Wirte,
um sich zu vermehren. An dieser Stelle greift der neue
Breitspektrum-Ansatz ein: Er unterbricht diese Signalkette, ohne den
Körperzellen zu schaden. Die Wirksamkeit dieser Methode zeigten die
Forscher an Zellkulturen von Menschen und Tieren. Das berichten sie
nun in der Fachzeitschrift "PlosPathogens".
Seit langem gibt es Breitspektrum-Antibiotika, die zugleich gegen
mehrere bakterielle Erreger wirken. Von solchen Wirkstoffen konnten
Virologen bislang nur träumen. Denn bislang fehlen noch Präparate,
die gleichzeitig gegen mehrere virale Erreger wirken. "Alle bislang
erhältlichen antiviralen Medikamente nehmen direkt den Erreger ins
Visier", berichtet Professor Christian Drosten, Direktor des
Instituts für Virologie des Universitätsklinikums Bonn. "Da die
Erreger sehr unterschiedlich sind, können diese Präparate nur gegen
bestimmte Viren vorgehen." Viren sind aber sehr wandlungsfähig, die
Waffen zwischen Erreger und Mensch deshalb sehr ungleich verteilt:
Was gegen ein Virus hilft, ist bei einem anderen nutzlos.
Gerade das SARS-Virus, das die Welt im Jahr 2003 an den Rand einer
Pandemie brachte, beflügelt nun die Erforschung neuer antiviraler
Medikamente. Erst kürzlich trat man den Nachweis an, dass nicht nur
chinesische, sondern auch europäische Fledermäuse den SARS-Erreger
tragen. "Anders als bei der Vogelgrippe kann man diese Wildtiere aber
nicht einfach töten, um den Erreger auszurotten", sagt Drosten. "Das
wäre ökologisch katastrophal, außerdem leben Fledermäuse im
Verborgenen." Will man Medikamente auch gegen Erreger entwickeln, die
sich "noch" in Tierreservoiren befinden, muss man neue Wege gehen.
Die Methode stoppt die Vermehrung einer ganzen Virusfamilie
Die Forscherteams um von Brunn und Drosten haben nun einen Weg
gefunden, gleich einer ganzen Virusfamilie die Vermehrung in
Körperzellen die Grundlage zu entziehen. Hierzu untersuchten sie, an
welche Wirtsproteine die Protein des SARS-Erreger binden. Die
Wissenschaftler entdeckten dabei einen zellulären Stoffwechselweg,
den nicht nur das SARS-Virus, sondern auch eine ganze Reihe von
verwandten Viren bei Mensch und Haustier für die eigene Vermehrung
verwendet.
"Es handelt sich dabei um einen Signalweg, der das Immunsystem
steuert", berichtet Drosten. "Wir haben einen Ansatz gefunden, wie
wir eines der Proteine in dieser Signalkette hemmen können, wodurch
die Vermehrung der Viren unterbunden wird." Wirkstoffe, die in diesen
Stoffwechselweg eingreifen, haben somit Breitbandwirkung. Damit
lassen sich nicht nur der SARS-Erreger, sondern auch eine ganze
Palette menschlicher Schnupfenviren und die Erreger von inneren
Krankheiten des Huhnes, des Schweins und der Katze in ihrer
Vermehrung hemmen. Die Wirtszellen nehmen durch die Proteinblockade
keinen Schaden, weil parallel weitere Signalwege existieren, die zur
Kompensation einspringen.
Die Forscher zeigten an Zellkulturen, dass ihr Ansatz funktioniert
Die Hemmung der Virenvermehrung ist kein Zufallstreffer. Die
Münchner Wissenschaftler haben eine Methode entwickelt, wie sich
systematisch verschiedene Eiweiße als potenzielle Ansatzpunkte
überprüfen lassen. "Damit sich ein Virus im Körper eines Tieres oder
eines Menschen vermehren kann, muss es an ein Protein anhaften",
berichtet von Brunn vom Max von Pettenkofer-Institut der
Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München. "Wir haben mit einem
automatischen Hochdurchsatzverfahren systematisch verschiedene
Protein-Viren-Kombinationen als potenzielle Ansatzpunkte für
Hemmstoffe getestet. Damit ist uns gleichzeitig der Beweis gelungen,
dass eine breite Suche nach zellulären Ansatzpunkten neue
Wirkprinzipien identifizieren kann, die dann auch wirklich einen
nachweisbaren Effekt gegen Viren haben.", sagt von Brunn.
Die Wissenschaftler zeigten anhand von Zellkulturen, dass ihr
Ansatz funktioniert. "Es wird aber noch Jahre dauern bis wir wissen,
ob sich diese Ergebnisse auf Therapien für den Menschen übertragen
lassen", sagt Drosten. Die Studie zeigt, wie wichtig die
Zusammenarbeit in Forschungsverbünden ist. "Allein hätte das keines
der beteiligten Teams zuwege gebracht", ist Drosten überzeugt. Der
SARS-Forschungsverbund vereint unter Drostens Leitung die
virologische Kompetenz von zwei tierärztlichen und vier medizinischen
Universitätseinrichtungen in Hannover, Gießen, Marburg, Bonn, München
und St. Gallen (Schweiz).
Publikation:
The SARS-Coronavirus-Host Interactome: Identification of
Cyclophilins as Target for Pan-Coronavirus Inhibitors Pfefferle S,
Schöpf J, Kögl M, Friedel CC, Müller MA, et al. PLoS Pathogens, 2011
doi:10.1371/journal.ppat.1002331
Ein Foto zu dieser Pressemitteilung finden Sie unter:
http://www3.uni-bonn.de/Pressemitteilungen/302-2011
Pressekontakt:
Dr. Albrecht von Brunn
Max von Pettenkofer-Institut der Ludwig-Maximilians-Universität
(LMU)München
Tel. 089/5160 5439
E-Mail: vonbrunn@mvp.uni-muenchen.de
Professor Christian Drosten
Direktor des Instituts für Virologie des Universitätsklinikums Bonn
Tel. 0228/28711055
E-Mail: drosten@virology-bonn.de