Ein Besuch beim Zahnarzt kann weh tun - immer weniger auf dem Behandlungsstuhl, aber beim Öffnen der Rechnung. Beim Zahnersatz muss der Kassenpatient schon jetzt bei der günstigsten, medizinisch notwendigen Variante bis zu 50 Prozent selbst dazu zahlen. Die Idee ist also (und eigentlich nicht neu): Zahnbehandlungen werden aus der gesetzlichen Krankenversicherung gestrichen und per zusätzlicher, einheitlicher Pauschale bezahlt.
Zuletzt hatte das im vergangenen Herbst der Freie Verband Deutscher Zahnärzte, dem rund 18.000 Mitgliedern angehören, vorgeschlagen. Ihr Hauptargument: Die zahnärztlichen Behandlungen stellen einen der kleinsten Posten bei den Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherungen dar - mit nur rund 6,6 Prozent der Gesamtausgaben von 175,6 Milliarden Euro. Und die Zahnärztekollegen gingen sogar noch einen Schritt weiter und stellten dazu passend ein "Prämienmodell Zahnmedizin " vor, also einen konkreten Lösungsvorschlag, der zeigen sollte, dass es nachhaltig möglich sei, die Finanzierung der zahnmedizinischen Versorgung auf eigenständige Beine zu stellen.
Wie das funktionieren soll?
Eben ganz einfach: Der gesetzliche Kassenbeitrag wird um den Anteil der Zahnbehandlung reduziert. Stattdessen deckt eine einheitliche Pauschale die Kosten der Zahnbehandlung ab.
Dazu ein kurzer Blick in die Praxis: Das Aufgabengebiet des Zahnarztes hat sich in der modernen Zahnmedizin stark erweitert. Es geht ihm heute nicht mehr nur um die Behandlung und den Ersatz von Zähnen sondern um die Gesunderhaltung des gesamten Zahnhalteapparates, des Kiefers, des Kiefergelenks, der Muskulatur und des Weichgewebes in der Mundhöhle. Selbstverständlich werden Zähne auch weiterhin bei Bedarf mit Füllungen versehen und verloren gegangene Zähne ersetzt. Aber gerade die Prävention von Erkrankungen hat sich zu einem wichtigen Aufgabengebiet des Zahnarztes entwickelt. Ja, und viele Allgemeinerkrankungen manifestieren sich auch zuerst in der Mundhöhle. Infektionskrankheiten oder einen Diabetes mellitus erkennt der Zahnarzt durch Veränderungen des Zahnfleisches. Zahnfleischentzündungen können sogar gravierende Auswirkung auf den gesamten Organismus haben.
Grundsätzlich gilt in Deutschland das Marktprinzip. Wer eine Leistung in Anspruch nimmt, der muss für sie bezahlen. Leistungserbringer und Leistungsempfänger schließen also einen Vertrag. Die vertraglich vereinbarte Leistung wird erbracht und der Leistungsempfänger zahlt als Gegenleistung den vertraglich vereinbarten Preis. Nicht so in unserem jetzigen Gesundheitssystem. Ein Kassenpatient, der seinen Arzt aufsucht, legt lediglich seine Versichertenkarte wie einen "Bezugsschein" auf den Tresen. Die Bezahlung des Arztes wird schließlich von seiner Krankenkasse übernommen. Damit ist nicht nur das vertragliche Band zwischen Arzt und Patient zerschnitten. Zugleich ist damit die Chance einer ersten unmittelbaren Kontrolle zwischen Leistung und Gegenleistung vergeben. Ergebnis: Der Patient weiß nicht, welchen Wert die erhaltene ärztliche Leistung in Geld hat. Er muss es ja auch vermeintlich nicht zahlen. (s.auch den interessanten Artikel "Lenin und der Kassenarzt")
Die Idee, Zahnbehandlungen extra abzusichern, hat also was und ist wie schon gesagt nicht vollkommen neu. Schon vor 8 Jahren (!) schlug die damalige Opposition zur Reform des Gesundheitswesens vor: Zahnbehandlungen sollten komplett aus dem Leistungskatalog der Krankenkassen gestrichen werden. Die Zahnarztbehandlung, so der zugrunde liegende Gedanke, ließe sich durch Vorsorge weitgehend vermeiden und solle durch private Zusatzversicherungen abgedeckt werden. Das sollte etwa 20 bis 25 Euro im Monat kosten. Eine gesetzliche "Vollkaskoversicherung" sei auf Dauer einfach nicht finanzierbar. Deshalb sei nicht nur die Ausgliederung der Zahnbehandlungen, sondern auch die Neuregelung von Selbstbehalten nötig. Einkommensabhängig sollten sie bei 150 bis 300 Euro liegen, hieß es.
Heute, acht Jahre später, meint Prof. Dr. Stefan Felder, Schweizer Gesundheitsökonom an der Universität Duisburg-Essen: "Die gesetzlichen Krankenkassen müssen sich auf mehr Privatisierung einstellen". Seiner Ansicht nach wird es zukünftig neben einer Basisversicherung immer mehr private Zusatzleistungen geben müssen - ein System, in dem gesetzliche und private Versicherungen kombiniert sind. Auch Tim Rödiger von der AOK hält diese Entwicklung für wahrscheinlich: "Es wird eine Basisversicherung geben, über alle anderen Leistungen haben die Versicherten dann freie Wahl".
In unseren Nachbarländern ist das übrigens durchaus schon Alltag. Das niederländische Gesundheitssystem beinhaltet zum Beispiel die Grundleistung plus individueller Zusatzleistungen. Und auch die Schweiz wartet mit einem ähnlichen, zweistufigen System auf. Danach ist die gesamte Bevölkerung mit einer Monatsprämie von 300 Euro pro Versicherten in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert, eine private Zusatzversicherung deckt darüber hinausgehende Leistungen ab. Der soziale Ausgleich erfolgt über Steuern. "Insgesamt ist das Schweizer System effizienter, kostenehrlicher und gerechter als das deutsche", lautet das Fazit von Gesundheitsökonom Stefan Felder.
Diesen und andere Beiträge finden Sie im Blog über Oralchirurgie und Implantologie.