Berlin, 11.01.2012 - "Stillstand bedeutet
Rückschritt - deshalb darf sich die Regierungskoalition nach
Inkrafttreten des Versorgungsstrukturgesetzes keine
gesundheitspolitische Auszeit nehmen. Sie muss die verbleibende Zeit
bis zur Bundestagswahl nutzen, um akute Probleme in der
Gesundheitsversorgung zu lösen und Konzepte für eine nachhaltige
Finanzierung des Gesundheitswesens zu erarbeiten", sagte der
Präsident der Bundesärztekammer (BÄK), Dr. Frank Ulrich Montgomery,
bei der Neujahrspressekonferenz der BÄK in Berlin. Der zaghafte
Einstieg der Koalition in eine Prämienfinanzierung der Kassen reiche
noch lange nicht, um die Gesundheitsversorgung krisen- und
zukunftsfest zu gestalten. Spätestens mit dem nächsten
Konjunktureinbruch werde der Gesundheitsfonds von zwei Seiten unter
Druck geraten. Steigende Arbeitslosigkeit führe zu geringeren
Kassenbeiträgen und bei sinkenden Steuereinnahmen würden die
Zuschüsse des Fiskus zurückgefahren. "Deshalb brauchen wir eine
Finanzierung, die weniger von der Konjunktur abhängig ist und mehr
auf die demografische Veränderung reagiert. Wir müssen diskutieren,
ob nur Löhne und Gehälter für die Beitragsberechnung herangezogen
werden sollten oder nicht auch andere Einnahmen. Und wir müssen uns
fragen, ob es nicht generationengerechter wäre, wenn die heute
Berufstätigen Finanzmittel für ihre Versorgung im Alter
zurückstellen", sagte Montgomery. Der BÄK-Präsident kündigte an,
dass sich der nächste Deutsche Ärztetag eingehend mit
Finanzierungsfragen des Gesundheitssystems beschäftigen wird. "Aber
auch kurzfristig ließe sich die Finanzsituation deutlich entschärfen,
wenn nicht Milliardenbeträge durch den unnötigen Bürokratie- und
Kontrollwahn der Kassen verschwendet werden würden. Dieses Geld
gehört den Versicherten und sie haben ein Recht darauf, dass es nicht
für sinnlose Krankenkassenvorschriften verplempert wird, sondern in
die unmittelbare Patientenversorgung fließt", sagte Montgomery.
Gerade in Zeiten des Ärztemangels müsse es der Politik doch zu denken
geben, dass Berufseinsteiger nach ihrem Medizinstudium einen
regelrechten Praxisschock erleben. Rund 60 Prozent der jungen
Assistenzärzte geben in einer repräsentativen Befragung der
Ärztekammern an, dass überbordende Bürokratie die Patientenversorgung
behindert. Jeder dritte Arzt, der Bereitschaftsdienste übernimmt,
kann nie oder nur sehr selten die gesetzlichen Ruhezeiten einhalten.
"Solche Arbeitsbedingungen sind nicht nur brandgefährlich für die
Patienten, sie sind auch kaum geeignet, junge Ärzte für eine
Tätigkeit in Klinik und Praxis zu begeistern", warnte Montgomery. Zu
verlässlichen Rahmenbedingungen für die ärztliche Berufsausübung
gehöre auch eine vernünftige Vergütung der geleisteten Arbeit.
Deshalb habe die BÄK der Politik auch einen Vorschlag für eine neue
solide durchkalkulierte Gebührenordnung für Ärzte zur Verfügung
gestellt, mit dem die jetzige, völlig veraltete Gebührenordnung
überarbeitet werden könne. Eine solide Gebührenordnung sei nicht nur
Garant für eine faire Vergütung ärztlicher Arbeit, sie entfalte auch
eine Schutzfunktion für die Patienten, weil diese sie durch
festgelegte Höchstsätze vor finanzieller Überforderung schütze. "Auch
diesen Aspekt muss die Regierung bedenken, wenn sie mit großem
Aufwand an einem eigenständigen Patientenrechtegesetz arbeitet und
zugleich die dringend notwendige Reform der GOÄ auf die lange Bank
schieben sollte", sagte Montgomery.
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