Die Personalsituation in der Altenpflege ist weitaus kritischer als die offizielle Arbeitsstatistik nahe legt. Bereits im vorigen Jahr konnte im Durchschnitt in Deutschland fast jede zehnte Fachkraftstelle in Pflegeeinrichtungen nicht besetzt werden. Zu diesem Ergebnis kommt eine jetzt veröffentlichte Umfrage der Unternehmensberatung Konkret Consult Ruhr (KCR), Gelsenkirchen.
Die Unternehmens- und Organisationsberatung hatte in Kooperation mit dem Fachverlag Vincentz, Hannover, gezielt den Bereich Pflege unter die Lupe genommen, also Stellen in Verwaltung, Technik und Service bewusst ausgeklammert. Mittlerweile meldet demnach ein Viertel der ambulanten und stationären Einrichtungen ihre offenen Stellen in der Pflege nicht mehr bei der Arbeitsverwaltung, weil fast jeder zweite Bewerber, der von dort kommt, ungeeignet ist. "Die fachlichen und kommunikativen Anforderungen an den Pflegeberuf sind gestiegen. Wenn einseitig Menschen geschickt werden, die sonst am Arbeitsmarkt keine Chance mehr haben, schadet das dem Image der gesamten Branche, und die Träger sehen sich nach Alternativen um. Inzwischen arbeitet fast jede dritte Einrichtung zum Beispiel mit Leiharbeitsfirmen zusammen," sagt KCR-Geschäftsführer Andreas Born.
Die KCR-Umfrage, an der sich über 200 Einrichtungen bundesweit beteiligten, zeigt auf, dass trotz 2,4 Prozent an Personalaufstockung im ersten Halbjahr 2011 durchschnittlich 7,7 Prozent der Gesamtstellen für gelernte wie ungelernte Pflegekräfte frei waren. Dabei haben private Arbeitgeber tendenziell rund doppelt so viele offene Stellen wie gemeinnützige Träger; und ambulante Dienste haben obendrein noch deutlich höhere Personallücken als stationäre Einrichtungen. Bei privaten ambulanten Diensten kommt alles zusammen: Hier blieb zum Stichtag der Umfrage sogar jede fünfte Fachkraftstelle unbesetzt.
"Die Nachfrage nach ambulanten Pflegediensten steigt extrem - um 10 bis zu 20 Prozent jährlich. Viele Dienste scheinen schon heute aus Mangel an Personal den Kunden kein angemessenes Angebot mehr machen zu können", stellt Projektleiter Roland Weigel von KCR fest. Dennoch steht die Branche einer Herabstufung der Fachkraftquote oder einer verstärkten Öffnung des Arbeitsmarktes für ausländische Pflegekräfte mehrheitlich skeptisch gegenüber. Als Ausweg aus der Personalklemme setzen die meisten Unternehmen derzeit auf mehr eigene Ausbildung, mehr Vollzeitstellen, bessere Bezahlung und höhere Flexibilität... wohl wissend, dass das Image der Branche und die politische Eindämmung der Kostensteigerungen im Gesundheits-und Sozialsektor dem Erfolg hier enge Grenzen setzen.
"Unter dem Strich ist eine gewisse Ratlosigkeit festzustellen, wenn 93 Prozent der Befragten glauben, dass sich die Situation zur Einstellung von Pflegekräften in den nächsten fünf Jahren verschlechtern wird", bilanziert das Team von KCR die Umfrageergebnisse. Zu einer Trendwende, so glauben die Experten von KCR, könne es nur kommen, wenn Einrichtungen, Unternehmen, Kostenträger und Politik "gemeinsam und mit langem Atem" dafür sorgen, dass das Berufsfeld Pflege - gerade auch für Jugendliche - insgesamt attraktiver wird.
Die wichtigsten Ergebnisse der Umfrage "Personalbedarf in der Seniorenhilfe" gibt es unter als Download.