Uschi T. hat nicht lange gefackelt, sondern bei dem ersten Anzeichen ihrer Blasenschwäche einen Arzt aufgesucht. Sie konnte unvermittelt und unerwartet den Urin nicht halten, als sie von ihrem häuslichen Schreibtisch aufgestanden ist. "Von meinen Freundinnen wusste ich, dass sie jahrelang das Problem verschwiegen, sich isoliert und aus unserer Tennisrunde ausgeschieden sind. Sie haben sich sozial isoliert und nicht nur bei einer war eine Therapie wegen folgender Depression notwendig".
Was Uschi T. nicht wusste und was auch heute weitgehend unbekannt ist: Harninkontinenz ist eine schwere und folgenreiche chronische Erkrankung in gleicher Größenordnung wie Diabetes und Hypertonie. Aktuell leiden daran bereits 6-8 Millionen Menschen in Deutschland mit steigender Tendenz. Professor Bader, Vorsitzender der AGUB, Arbeitsgemeinschaft Urogynäkologie und Plastische Beckenbodenrekonstruktion, weiß: "Die Betroffenen entwickeln Coping-Strategien, die zu weiteren gesundheitlichen Schäden führen. So kann die eingeschränkte Flüssigkeitsaufnahme insbesondere bei Älteren zu Kreislaufproblemen, Verwirrtheit oder Stürzen führen." Die Ursachen sind vielfältig, Uschi T. hat in ihrem ganzen Leben schwer tragen müssen und in jungen Jahren ein Kind geboren. Hinzu kam eine Bindegewebsschwäche, diese hat die Inkontinenz noch begünstigt.
Blasenschwäche - die Bezeichnung allein ist bereits irreführend
Denn wenig beachtet wird außerdem, dass die falsch oder nicht behandelte Inkontinenz verschiedene Folgekrankheiten mindestens begünstigt. Dazu zählen u.a. Diabetes mellitus, Schlaganfall, bestimmte mit starkem Husten verbundene Lungenerkrankungen, Herzinsuffizienz, Depressionen. Verschiedene Studien besagen außerdem, dass bis zu 30 Prozent der Frauen mit Inkontinenz an Depressionen leiden und dass die Inkontinenz an 4. Stelle der Erkrankungen liegt, die die Lebensqualität entscheidend einschränken. Diese Beeinträchtigung der Lebensqualität ist von ihrem Ausmaß her mit anderen schwerwiegenden chronischen Erkrankungen wie Arthrose, COPD und Schlaganfall vergleichbar.
Auch die Ärzte leiden - unter den hohen Kosten
Vielen Ärzten sind die Zusammenhänge weitgehend unbekannt und obwohl es Leitlinien gibt, werden häufig schon Fehler bei der Diagnostik gemacht. Die Folge: die meisten betroffenen Frauen leiden an der sogenannten Belastungs- bzw. Mischinkontinenz, werden jedoch nicht selten mit Medikamenten behandelt, die nur für eine Dranginkontinenz zugelassen sind. 43-83 Prozent der Patientinnen brechen die Behandlung mit den sogenannten Anticholinergika deshalb innerhalb von nur 30 Tagen ab, weil die Nebenwirkungen teilweise erheblich sind und der erwünschte Erfolg aufgrund der falschen Diagnose ausbleibt. Die Ausgaben für diese Medikamente sind seit 2009 von 100 Millionen auf heute 191 Millionen gestiegen und belasten die Budgets der Arztpraxen stark.
Den Arztbesuch nicht aufschieben
Nur wenige Frauen gehen die Blasenschwäche so schnell und couragiert wie Uschi T. an, der ein TVT-Band eingelegt wurde. Es stützt die Harnröhre und verhindert so den unwillkürlichen Harnverlust.
Nach aktuellen Untersuchungen wartete eine große Anzahl Betroffener mit dem Arztbesuch teilweise zwei bis 10 Jahre: Weniger als die Hälfte aller Frauen befragen ihren Arzt innerhalb der ersten zwei Jahre nach dem Auftreten der Harninkontinenz. Bis zu 13 Prozent ertragen die Erkrankung sogar über einen Zeitraum von 6-10 Jahren. Und etwa jede zehnte Frau wartet sogar elf und mehr Jahre, bevor sie zum Arzt geht. "Nach eingehender Diagnostik stehen heute effektive Therapien zur Verfügung - der erste Schritt ist und bleibt aber der Besuch eines Arztes, der sich mit dem Krankheitsbild auskennt. Unsere Arbeitgemeinschaft und die Deutsche Kontinenz-Gesellschaft, können den Frauen Fachärzte in allen Regionen Deutschlands nennen", so Professor Bader aus Hannover. Gemeinsam mit der Patientin wird dann ein Therapieplan erstellt. Neben Beckenbodengymnastik und der medikamentösen Behandlung bei Dranginkontinenz habe auch moderne und minimal-invasive Operationsverfahren ihre berechtigte Rolle