Der amerikanische Management-Guru Michael E.
Porter geht mit dem deutschen Gesundheitssystem hart ins Gericht. In
der neuen, am Donnerstag erscheinenden Ausgabe des Hamburger Magazins
stern fordert er ein "radikales Umdenken" hin zu mehr Qualität und
Orientierung am Patienten. "Das jetzige System ist um die Ärzte herum
organisiert. Der Patient mit seinen Problemen geht in diesem System
verloren, er wird nicht einbezogen, wenn es um seine Gesundheit
geht", so Porter.
"In kaum einem Land der Welt stehen pro Kopf der Bevölkerung mehr
Krankenhäuser als in Deutschland. Und zu keiner Zeit haben die
Deutschen mehr medizinische Behandlung in Anspruch genommen als heute
- zumindest, was die Zahl der Arztbesuche betrifft. Aber die Qualität
der Behandlung ist bestenfalls mittelmäßig", urteilt der Ökonom von
der Harvard University. Dies betreffe weitverbreitete Krankheiten wie
Diabetes, Asthma und Herzerkrankungen, aber auch einige Krebsarten.
In der Qualität der Versorgung liege Deutschland weit hinter einem
Land wie etwa Schweden zurück. "Insgesamt werde geschätzt, dass in
deutschen Kliniken jedes Jahr über 40.000 Menschen sterben, weil sie
nicht angemessen behandelt werden", so Porter im stern weiter.
Porter, der sich in den vergangenen Jahren auch mit seinen
Vorschlägen zur Reform von Gesundheitssystemen einen Namen gemacht
hat, fordert angesichts dessen die Hinwendung zum Patientennutzen:
Behandlung und Versorgung müssten sich am Krankheitsbild des
Patienten orientieren. "Dazu gehören etwa integrierte
Behandlungseinheiten, also spezialisierte, interdisziplinäre Teams,
die eine Krankheit gemeinsam behandeln und die Behandlungsergebnisse
messen."
Denn nur "die konsequente Ausrichtung auf Qualität wird auf Dauer
die Kosten eindämmen. Wer immer nur Kosten sparen will, macht es in
Wahrheit nur teurer. Es mag verrückt klingen, aber für das deutsche
Gesundheitswesen gilt: Mehr Qualität kostet nichts." Es gäbe dabei
eigentlich nur eine wesentliche Entscheidung zu fällen, meint Porter:
"Krankenhäuser und Ärzte müssten gesetzlich dazu verpflichtet werden,
die Ergebnisse ihrer Arbeit und die Kosten zu messen. Und diese
Ergebnisse müssen veröffentlicht werden. Denn dann wissen wir, wer
wirklich gute Arbeit leistet und wer nicht." Durch die dauerhafte
Ausrichtung auf mehr Qualität könnten im deutschen Gesundheitssystem
jedes Jahr mindestens 50 Milliarden Euro gespart werden.
Kritik übt der Harvard-Professor aber auch an den Patienten: "Auch
die Patienten haben sich bislang nicht kritisch genug mit diesen
Fragen auseinandergesetzt. Da vergleichen wir Qualität und Preise bei
jedem Fernsehkauf. Aber bei Ärzten glauben wir offenbar immer noch,
es handle sich um Alleskönner."
Pressekontakt:
Gruner+Jahr, stern
Katja Gloger
gloger.katja@stern.de