Nur einige wenige gynäkologische Spezial-Ambulanzen stehen heute deutschlandweit zur Verfügung, was behinderten Frauen den Umgang mit Sexualität, Elternschaft und frauenspezifischen Krankheitsbildern erheblich erschwert. Je nach Behinderungsausprägung sind die Beeinträchtigungen von unterschiedlichem Schweregrad.
Barrierefreie Praxisräume - Fehlanzeige
Schon die räumlichen Bedingungen in der Praxis sind oft unzureichend. Für Frauen mit Mobilitätseinschränkungen reichen die Herausforderungen von unzureichend barrierefreier Zugänglichkeit von Arztpraxen, engen Untersuchungs- und Warteräumen über fehlende Behindertentoiletten bis hin zu für Rollstuhlfahrerinnen unzugänglichen gynäkologischen Stühlen. Die monatelange Ausbuchung von gynäkologischen Spezial-Ambulanzen wie im Klinikum Dachau zeigt den enormen Bedarf auf.
Wohlfühlfaktoren für behinderte Patientinnen in den Praxisräumen
Darüber hinaus kann für viele behinderte Patientinnen ein Untersuchungstermin zum Stressfaktor werden, allein weil die sehr kurz geplanten Untersuchungseinheiten in einer Praxis nicht ausreichend Zeit für das An- und Ausziehen lassen. Für Frauen mit Spastischen Lähmungen oder Muskelerkrankungen kann so eine Verspannung entstehen, die eine Untersuchung unmöglich macht. Kommunikationsbarrieren können im Kontakt mit Frauen entstehen, die geistige oder Lernbehinderungen haben sowie bei gehörlosen Frauen.
Eine weitere Barriere bei der gynäkologischen Versorgung von behinderten Patientinnen sind die Barrieren in den Köpfen der behandelnden Ärzte. Vielen Gynäkologen fehlt die Erfahrung in der Behandlung behinderter Frauen und im Umgang mit deren Wünschen und Bedürfnissen in Sachen Partnerschaft, Sexualität und Familiengründung.
Der BVF Berufsverband der Frauenärzte engagiert sich
Um die Versorgungssituation langfristig zu verbessern, engagiert sich der Berufsverband der Frauenärzte auch auf dem diesjährigen Fortbildungskongress FOKO in Düsseldorf. Als Festrednerin beleuchtet die rheinland-pfälzische Sozialministerin Malu Dreyer das Thema. In Vorträgen und Experten-Workshops werden zudem Ansätze aufgezeigt, um die eigene frauenärztliche Praxis in diesem Bereich weiterzuentwickeln. Dr. Joachim Steinbrück, Behindertenbeauftragter des Landes Bremen, und Dr. Andreas Umlandt, der selbst regelmäßig in einer gynäkologische Spezialsprechstunde für Frauen mit Behinderungen in Bremen praktiziert, sind sich einig: "Die Einrichtung zentraler Schwerpunktpraxen für Frauen mit Behinderung bzw. die flächendeckende Einrichtung von gynäkologischen Spezial-Ambulanzen sind ein erster Schritt, um unserer Verpflichtung im Sinne der Behindertenrechtskonvention BRK nachzukommen und diese umzusetzen. Von dem Postulat einer freien Arztwahl sind wir noch ein großes Stück entfernt." In der gynäkologischen Spezialambulanz Bremen steht den Patientinnen jeden Mittwochnachmittag ein Team von zehn niedergelassenen Ärzten und Ärztinnen zur Verfügung. Dass behinderte Patientinnen eine solche freie Arztwahl treffen können, ist im gynäkologischen Bereich bislang eine Ausnahme.
Spezialambulanzen deutschlandweit noch selten
Dr. Umlandt ergänzt: "Besonders zielführend und hilfreich für die Fortbildung von Gynäkologen und Arzthelfer/innen im Umgang mit behinderten Frauen und deren Problemen ist es, die Erfahrungen von Frauen und Mädchen mit Behinderungen in der gynäkologischen Versorgung und in der Ausbildung von Ärzten und Arzthelfer/innen mit ein zu bringen. Wir in Bremen lernen von unseren Patientinnen in der Spezialambulanz sehr viel und können dies dann direkt in den nächsten Behandlungsterminen umsetzen. Das ist ein sehr wertvoller Austausch, der uns allen weiterhilft - Arzt wie Patientin." - "Wichtig ist meines Erachtens auch, dass wir uns dafür einsetzen, die Gebührenordnung so zu verändern, dass behinderungsbedingt längere Behandlungseinheiten entsprechend abgerechnet werden können." erläutert Dr. Steinbrück weitere Aufgaben und Herausforderungen. Bis dato gibt es solche Spezialsprechstunden in Dachau, Erlangen, Berlin, Frankfurt/Main und in Bremen.