(Magdeburg) – Sehen ist ein hoch komplexer Vorgang, bei dem die Augen und das Gehirn ständig Höchstleistungen vollbringen. Etwa 80% des menschlichen Handelns werden bei sehend Großgewordenen unbewusst visuell kontrolliert und gesteuert. Besondere Bedeutung kommt hier dem zentralen Gesichtsfeld zu. Fehlen Teile der visuellen Wahrnehmung, z.B. als Folge eines Schlaganfalls oder Schädel-Hirn-Traumas, so kann sich dies im Alltag gravierend auswirken.
Einschränkungen der Selbständigkeit bis hin zum Verlust des Arbeitsplatzes können die Folge sein. Selbstverständliche Dinge wie am Tisch essen, Fernsehen, Lesen und Autofahren werden schwierig.
Die Visuelle RestitutionsTherapie (VRT) ist ein neues Verfahren, das erworbene Gesichtsfeldausfälle verkleinern kann. Die Therapie basiert auf dem Ansatz der Neuroplastizität, der Fähigkeit des Gehirns sich selbst zu reparieren. Durch spezifische Lichtstimulation ist es möglich, teilgeschädigte Gehirnareale wieder zu aktivieren und damit das Sehen zu verbessern. Diese Wirkung konnte jüngst durch bildgebende Verfahren gezeigt werden (Marshall et al., NNR, 2008).
Die Patienten führen die Therapie täglich zu Hause für eine Dauer von mindestens 6 Monaten durch. Die Aufgabe besteht in der Erkennung und Bestätigung von Lichtreizen (Stimuli), die zwischen dem intakten und defekten Gesichtsfeld auf dem Monitor präsentiert werden.
Eine kontrollierte Studie (Mast et al., Akt Neurol, 2008) hat jüngst die Wirksamkeit der VRT bei 72 Patienten mit Gesichtsfeldausfall (Durchschnittsalter: 57 Jahre) nach Schlaganfall (95%) nachgewiesen. Nach 6 Monaten Behandlung mit der VRT (hochrepetitive visuelle Stimulation) zeigten sich signifikante Verbesserungen sowohl hinsichtlich Detektionsrate, Größe des defekten Gesichtsfeldes und Leseleistung.
„Die Studie unterstreicht die klinische Wirksamkeit der VRT. Die Ergebnisse sind der Beweis dafür, dass bei Patienten mit Sehstörungen nach Hirnschädigung, welche mit dem restitutiven Verfahren trainiert haben, verloren gegangene Sehfunktionen wiederhergestellt werden können – und damit die Lebensqualität dieser Patienten erheblich verbessert werden kann“ berichtet Professor Henning Mast, Direktor der Klinik für Neurologie an den BG-Kliniken Bergmannstrost, Halle/Saale.
Bisher wurden in Deutschland bereits mehr als 1200 Patienten behandelt. Die Therapie kann zuhause am eigenen Computer durchgeführt werden. 65% der Patienten erzielen nach 6 Monaten Sehtherapie eine messbare Verbesserung ihres Sehens. Sie können sich zu Hause und im Straßenverkehr auch ohne fremde Hilfe sicherer bewegen. Lesen, Schreiben, Fernsehen und Bildschirmarbeit fallen wieder leichter. Patienten haben weniger Zusammenstöße mit Personen und Gegenständen, fühlen sich beruflichen Anforderungen besser gewachsen und können aufgegebene Hobbys wieder genießen.
Jedes Jahr erleiden in Deutschland mehr als 450.000 Menschen einen Schlaganfall oder eine unfallbedingte Schädel-Hirn-Verletzung. Bei etwa 20% dieser Patienten kommt es zu neurologisch bedingten Sehstörungen, wie zum Beispiel der halbseitigen Blindheit (Hemianopsie).
Angesichts dieses Problemdrucks wurde speziell für die Berufsgruppe der Optometristen und Optiker ein Visuelles Screening-Verfahren entwickelt. Es handelt sich um eine hochauflösende computergestützte Vermessung des zentralen Gesichtsfeldes. Das Screening dient der Identifikation von Funktionsbeeinträchtigungen, wie z.B. visuellen Wahrnehmungs-, Verarbeitungs-, Fusions- oder Sehstörungen.
Für Betroffene und Interessierte ist eine Hotline beim Zentrum für Sehtherapie NovaVision eingerichtet worden: 0391-6360050. Mehr Informationen erhalten Sie auch im Internet unter www.novavision.de.