Regensburg – Gehörerkrankungen entwickeln sich in Deutschland zur Volkskrankheit. 14 Millionen Deutsche leiden bereits an Hörproblemen: Tinnitus (Ohrgeräusche), Schwerhörigkeit, Geräuschüberempfindlichkeit, Hörverzerrung, Druck im Ohr, Hörsturz und Schwindel / Morbus Menière. Ursache für die zunehmenden Erkrankungszahlen ist die wachsende „akustische Umweltverschmutzung“, also ein in Summe ständig zunehmender Lärmpegel, sagen Fachleute. „Immer mehr Hörgeräte zu verschreiben, ist der falsche Weg, das Problem zu lösen“, sagt der Regensburger Innenohr-Experte und Initiator der Arbeitsgemeinschaft „Das Gesunde Ohr“, Dr. Lutz Wilden vor Journalisten in Regensburg.
Die Versorgung mit Hörgeräten ist ein Millionengeschäft. Wirklich helfen würde aber überforderten Hörorganen und auch den Krankenkassen bei der Ausgabensenkung etwas anderes: die Reduzierung des Alltagslärms, zum Beispiel durch die Nutzung einfacher Ohrstöpsel und die breite Anwendung der hochdosierten Lasertherapie.
Hörgeräte: Zusätzlicher Stress für das Innenohr
Bereits 40 Prozent der jungen Männer, die zuletzt bei der Bundeswehr gemustert wurden, hatten deutliche Hörschäden. Im Jahr 2006 trugen bereits 50 von 1.000 Kindern und Jugendlichen bis 18 Jahre nach Untersuchung einer großen Ersatzkasse ein Hörgerät. 2010 waren es schon 63 von 1.000. „In Deutschland muss mehr getan werden, um die Lärmbelastung zu reduzieren, damit nicht immer mehr Menschen von Schwerhörigkeit und Tinnitus betroffen werden“, sagt Dr. Wilden. Die zunehmende Verbreitung und immer schnellere Verschreibung von Hörgeräten sei der falsche Weg zur Lösung des Problems. „Wir können keinen Schmerz mit mehr Schmerz austreiben. Wir können keinen Diabetes heilen, indem wir den Patienten mehr Zuckerkonsum verordnen. Ebenso wenig können wir ein durch Lautstärke überfordertes Hörorgan mit noch mehr Lärmüberflutung etwa durch Schall verstärkende Hörgeräte heilen“, so der Mediziner.
Schlüssel für das menschliche Hörvermögen ist das Innenohr mit seinen 25.000 Hörzellen in der Hörschnecke. Wie alle Nervenzellen begleiten diese Zellen den Menschen durch das ganze Leben und besitzen deshalb eine hohe Regenerationsfähigkeit, wenn ihnen im Alltag ausreichend Zeit und Möglichkeit zur „Erholung“ gegeben wird. Deshalb, so die Arbeitsgemeinschaft „Das Gesunde Ohr“, sei Ruhe vor dem permanenten Umgebungslärm der wirkungsvollste Schlüssel, diese Hörzellen fit zu halten.
Dr. Wilden kämpft in seinen Therapiezentren seit Jahren auch gegen die Behandlung von Tinnitus mit künstlich erzeugten Gegengeräuschen. „Therapieansätze, die zunächst versuchen, wieder den Gehörzustand des Tinnitus-Patienten zu stabilisieren, gibt es in der konventionellen Medizin kaum. Stattdessen werden die Patienten, auch von den Kassen finanziert, mit allen möglichen Hörgeräten versorgt und es wird versucht, das Gehirn zu manipulieren, das angeblich Auslöser für das Tinnitus-Geräusch sein soll. „Eine Theorie, die wissenschaftlich nicht bewiesen und nicht haltbar ist“, so Dr. Wilden.
Selbsttest beweist: Stille reduziert Tinnitus-Beschwerden
Dass Lärmreduzierung im Alltag auch bei Tinnitus wirkungsvoll helfen kann, sei, so Dr. Wilden, für jeden Tinnitus-Patienten selbst leicht nachzuprüfen. „Schützt ein Tinnitus-Patient über mehrere Tage, Wochen und Monate sein überlastetes Hörorgan, indem er im Alltag, wann immer möglich, Hörstöpsel benutzt, reduzieren sich nach unseren jahrelangen Erfahrungen die quälenden Symptome oder sie verschwinden sogar ganz. Das gilt vor allem bei Kindern und in der Akutphase des Tinnitus. Selbst bei chronischem Tinnitus kann die massive Abschirmung von Alltagslärm spürbare Hilfe bringen.“
Zur vorbeugenden Vermeidung von Hörproblemen und zum Schutz vor wachsendem Umweltlärm empfiehlt die Arbeitsgemeinschaft „Das Gesunde Ohr“ deshalb in jedem Alter: So oft wie möglich passende Ohrstöpsel benutzen. Das ist eine Wohltat für die Ohren – und nicht zuletzt auch für die Nerven.