Welche Bedeutung haben Stammzellen für Sie als Forscherin?
Sie sind Hoffnungsträger für klinische Applikationen. Ihr großes Potenzial, sich in die unterschiedlichsten Zellarten zu differenzieren, kann für die Zelltherapie genutzt werden. Beispielsweise Osteoporose: Bei der Krankheit können Knochen nicht ausreichend nachgebildet werden, wodurch sie schneller brechen. Transplantierte Stammzellen könnten diese Aufgabe übernehmen. In klinischen Studien werden einige Arten von Stammzellen inzwischen erfolgreich eingesetzt.
Welche Arten von Stammzellen gibt es und wie werden sie unterschieden?
Stammzellen können in zwei Lager geteilt werden. Das eine vereint Zellen in sich, die in nahezu jedem Gewebe des ausgewachsenen Menschen zu finden sind. Deswegen werden sie „adulte Stammzellen“ genannt. Sie haben ein begrenztes Entwicklungspotenzial. Zum Beispiel können Blutstammzellen sich nur in Zellen des Blut- und Immunsystems entwickeln. Embryonale Stammzellen verdanken ihren Namen gleichfalls ihrer Herkunft. Sie stammen aus einem sehr frühen Entwicklungsstadium des Embryos – der Blastozyste. Ihr enormes Wachstumspotenzial macht es möglich, sie im Labor sehr lange in der Kulturschale zu halten. Zudem können sie sich in jedes denkbare Gewebe differenzieren.
Das klingt, als würden Sie embryonale Stammzellen bevorzugen?
Ich arbeite selbst mit diesen Zellen - aus der Maus und in Zukunft auch aus Affen. Der Hintergrund ist folgender: Osteoporose und Osteoarthritis, zwei Schwerpunkte in unserer Forschung, können unter Umständen mit adulten Stammzellen behandelt werden. Liegen jedoch große Knochendefekte vor, stoßen sie aufgrund ihres begrenzten Wachstumspotenzials an ihre Grenzen – es wird nicht ausreichend Material gebildet. Aus diesem Grund sind embryonale Stammzellen eine vielversprechende Aternative. Das lässt sich aber pauschal nicht auf alle Krankheiten übertragen – es hängt immer von der Art der Zelle und der Schädigung ab.
Viele deutsche Forscher wollen gern embryonale Stammzellen für die Grundlagenforschung nutzen. Für die therapeutischen Anwendungen werden dagegen adulte Stammzellen bevorzugt. Wie stehen Sie zu diesem Thema?
Diese Aussage möchte ich unterstreichen. Embryonale Stammzellen sind als etwas „körperfremdes“ grundsätzlich weniger für die klinische Anwendung geeignet. Auch die Gefahr der Entartung ist nicht zu unterschätzen. Undifferenzierte Stammzellen zu transplantieren, ist aber auch nicht der Sinn der Sache. Im Vorfeld muss untersucht werden, wann die Stammzelle im Verlauf ihrer Entwicklung das Krebspotenzial verliert, aber das Differenzierungspotenzial behält. Das ist dann das ideale Stadium für eine Transplantation.
Zusätzlich muss auch nach der Art der zu behandelnden Krankheit unterschieden werden. Denn bei einem genetischen Defekt können die eigenen Stammzellen nicht für eine Therapie verwendet werden.